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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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kräftigen Tieren lieb sein würde.
    Selbst dem nicht gerade zart besaiteten ›Pater‹ hatte sich während der Dauer dieser Hatz ein garstiges Bild geboten: Die Hühnerdiebe hatten in Gedanken das Federvieh bereits, gerupft und fertig zubereitet, in ihren triefenden Schlünden gesehen, weswegen sie so gierig und aggressiv geworden waren, dass jetzt nicht nur Federn, sondern auch Fetzen flogen.
     
    Als Lea die Hühner freigelassen hatte und die weißen oder rötlich braunen Federknäuel aufgeregt zwischen den noch aufgeregteren Menschen hin und her zu rennen begonnen hatten, waren einigen von diesen diverse Taktiken eingefallen, um möglichst viel des köstlichen Hühnerfleisches für sich ergattern zu können. Am erfolgreichsten waren diejenigen gewesen, die den bedauernswerten Geschöpfen sofort ihre Hälse abgedreht oder sogar abgerissen hatten, sowie sie diese zu fassen bekommen hatten. Lieber besaßen sie blutleere Hühner und verzichteten auf leckere Rotwürste, die man aus deren Lebenssaft hätte machen können, als dass sie zu wenig oder überhaupt kein Federvieh mit nach Hause nehmen konnten. Blitzartig hatten sie ihre Beute irgendwo versteckt, um sofort erneut auf die Hatz gehen zu können.
     
    Obwohl er bei dieser Jagdtaktik unverschämt bösartig und egoistisch vorgegangen war, sollte Josen Bueb letztendlich kein einziges Huhn nach Hause bringen. Durch seine Rücksichtslosigkeit anderen gegenüber hatte er zwar sage und schreibe vier Hühner ergattern, aber keines davon für sich retten können. Zu seinem Pech hatte er die ersten zwei so schlecht hinter einer Hecke versteckt, dass man sie schnell gefunden hatte und sie wohl bald andere Mägen füllen würden. Und dann war ihm auch noch ein Huhn kopflos davongerannt. Als er dessen gewahr geworden war, hatte er in seiner Wut versehentlich auch noch den erbeuteten Hahn losgelassen. Obgleich er versucht hatte, ihn wieder einzufangen, musste er sich jetzt der Erkenntnis beugen, dass der bedauernswerte Gockel einen ähnlichen Weg wie die anderen drei Mistviecher nehmen würde.
    Anstatt in seinem Topf kochte es so stark in ihm selbst, dass er laut vor sich hin fluchte.
     
    So richtig zufrieden war sowieso niemand mit dem Jagdergebnis. Bis auf den unentdeckt gebliebenen Dieb, der klugerweise nicht selbst gejagt, sondern lediglich versteckte Beute gesucht und gefunden hatte, war es schlussendlich kaum jemandem gelungen, mehrere dieser blitzschnellen Viecher zu erwischen. Hätten die anderen gewusst, dass einer von ihnen Josen Buebs Hühner und weitere dieser begehrten Mistkratzer gestohlen hatte, womöglich zusätzlich auch noch einen oder gar mehrere eigene Jagderfolge verbuchen konnte, hätten sie dem vermaledeiten Hühnerdieb wohl die Hand abgeschlagen. Aber waren sie nicht alle Hühnerdiebe der übelsten Art, die bestraft werden mussten?
    Erst als kein einziges Federvieh mehr gackerte, sammelten sie ihre primitiven Waffen, die sie in ihrer Gier nach Fleisch irgendwo fallen gelassen hatten, um beide Hände für die Treibjagd frei zu haben, wieder ein. Während ihre Frauen die magere Beute nach Hause brachten, formierten sich die Männer nach und nach neuerlich vor dem Haus der Bombergs.
     
    *
     
    Der ›Pater‹ rieb sich zufrieden die Hände. Diese Tölpel haben nun, was sie wollten. Jetzt müssen sie mir nur noch zu dem verhelfen, was ich will, dachte er und freute sich, die fast eskalierte Situation wieder unter Kontrolle und die Menschen dorthin gelotst zu haben, wo er sie haben wollte: vor das schmucke Anwesen der Bombergs, das Objekt seiner unbezähmbaren Begierde!
    So wie es aussah, war es ihm gelungen, die Staufner derart aufzustacheln, dass die von ihm über die Maßen gehassten Juden vor Schreck widerstandslos ihre wertvollen Hühner herausgerückt hatten. Jetzt muss die Angst nur noch so weit geschürt werden, dass das gottlose Gesindel endlich abhaut, berechnete er in Gedanken weiter die Lage und leitete in die Überlegung über, wie er es am besten, vor allen Dingen aber so vorsichtig wie nur irgend möglich, anpacken sollte.
    Wenn er aber glaubte, dass sich die aufgeregte Meute mit den paar Hühnern zufriedengeben und jetzt nur noch die Eier aus dem Haus holen wollte, täuschte er sich. Die Stimmung war immer noch an dem Punkt, wo sie vor der Hühnerhatz gewesen war, und sie hatte sich während der Jagd sogar noch weiter aufgeheizt. Diejenigen, die mit dem Jagderfolg überhaupt nicht zufrieden waren, schrien jetzt am lautesten: »Her mit den

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