Der Peststurm
bemerkenswert«, hatte Nepomuk das Gesehene und das Gerochene kopfschüttelnd kommentiert, nachdem sie die Kirche wieder verlassen hatten.
»Jetzt ist nicht die Zeit für Späße. Lass uns da unten suchen. Vielleicht weiß der Blaufärber etwas über Lodewigs Verbleib«, hatte der Kastellan mit einem Fingerzeig die Richtung angegeben.
Am Färberhaus angekommen, mussten sie einige Male an die Tür klopfen, um mit dem Blaufärber sprechen zu können. Als der Handwerker schlaftrunken öffnete und den Hünen sah, wollte er die Tür sofort wieder zuschlagen, was ein Fuß des Kastellans verhinderte. »Auch wenn es unser Herrgott bei der Verteilung der Größe zu gut mit diesem Mönch gemeint hat, braucht Ihr ihn nicht zu fürchten … Er ist mein Freund!«
Jetzt erst sah der Blaufärber den Kastellan und verneigte sich ehrerbietig vor ihm. »Verzeiht, edler Herr, was führt Euch mitten in der Nacht zu mir?«
»Dass mein jüngster Sohn tot ist, dürfte sich ja herumgesprochen haben, aber Ihr könnt noch nicht wissen, dass nun – so wie es den Anschein hat, auch noch mein mittlerer verschwunden sein könnte, … zumindest suchen wir ihn«, erklärte der Kastellan mit frostiger Stimme.
Da bekreuzigte sich der Blaufärber, in dem schlagartig die Erinnerung an seine eigenen toten Söhne hochkam. »Wartet! Ich komme mit und helfe Euch bei der Suche.«
»Das müsst Ihr nicht!«
»Oh doch! Das muss ich wohl. Denn Eure Gemahlin und Lodewig haben mir seinerzeit geholfen, nach meinem verschwundenen Didrik – Gott sei bei ihm – zu suchen.«
Hannß Opser und Ulrich Dreyling von Wagrain bekreuzigten sich.
»Didrik? … Diederich?«, murmelte Nepomuk nachdenklich, während der Blaufärber ins Haus zurückging, um sein Wams, seine Cuculle und eine Öllampe zu holen.
»Nepomuk, was ist mit dir?«, fragte der Kastellan.
»Findest du es nicht merkwürdig, dass gerade zwei Kinder eines unnatürlichen Todes gestorben sind, deren Namen sich fast gleichen?«
»Woher willst du wissen, dass der Sohn des Blaufärbers tot ist?«
»Das weiß ich nicht! Aber immerhin hast du mir erzählt, dass dieser Knabe schon vor längerer Zeit spurlos verschwunden ist, oder?«
»Na schön: Didrik wurde meines Wissens nie gefunden. Er ist und bleibt einfach verschwunden.«
»Und mein großer Sohn Otward ist im Entenpfuhl ertränkt worden«, ergänzte der Blaufärber, der gerade aus dem Haus trat.
»Was! – Davon weiß ich ja gar nichts«, rief der Kastellan entsetzt.
»Das mag ich Euch gerne glauben, Herr. Gunda und ich haben damals eine schwere Zeit gehabt und ich habe niemandem davon erzählt, … nicht einmal meinem Weib. Wir haben unser Haus nur noch verlassen, wenn es unbedingt nötig war, und kaum jemanden getroffen.«
Während sich die drei auf die Suche nach Lodewig machten, erzählte der Blaufärber weiter: »Otwards Leiche habe ich zwar nie gesehen, dafür aber an einem Ast im Entenpfuhl einen Fetzen seines Hemdes gefunden. Gewissheit habe ich gehabt, als ich zudem auch noch in ein Messer getreten bin, das auf dem Grund des Tümpels gelegen ist und das ich als seines erkannt habe.« Der Blaufärber wischte sich eine Träne aus den Augen und blickte den Kastellan fragend an. »Es hat dort doch eine Wasserleiche gegeben. Stimmt es nicht, edler Herr?«
Der Kastellan senkte sein Haupt. »Ja, Herr Opser. Aber die Leiche konnte eindeutig als Ruland Berging identifiziert werden. Ihr habt damals nichts davon gesagt, dass Ihr auch Euren ältesten Sohn vermisst und meine Recherchen haben auch nichts dergleichen ergeben. Also haben wir dem Medicus geglaubt und den schrecklich zugerichteten Torso verbrannt.«
»Um Gottes willen! Ohne die heiligen Sakramente?«, empörte sich der Blaufärber.
Der Kastellan nahm ihn am Arm und beruhigte ihn. »Seid diesbezüglich getrost. Unser Pfarrer war dabei. Aber der Medicus hat uns eindringlich dazu geraten, die sterblichen Überreste sofort und noch an Ort und Stelle zu verbrennen, um einer möglichen Seuchengefahr entgegenzuwirken.«
»Merkwürdig«, mischte sich Nepomuk ein. »Handelte es sich dabei um jenen Arzt, von dem du mir berichtet hast, dass er eine künstliche Pestilenz geschürt, viele Tote zu verantworten hatte und letztendlich dafür gehängt wurde?«
»Ja! Es war der Medicus Heinrich Schwartz, der einerseits selbst unsägliches Leid über die Staufner gebracht und andererseits vor einer drohenden Seuchengefahr gewarnt hat. Fürwahr eine merkwürdige Geschichte … Aber lasst uns ein
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