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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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mit Lodewig, sondern auch noch mit einem Kind würde teilen müssen. Sarah war stets eine gute Tochter gewesen und hatte ihm unendlich viel Wärme, Zärtlichkeit und das Gefühl, gebraucht zu werden, gegeben. Und jetzt würde sie ihm auch noch einen Enkel schenken. Jakob Bomberg drohte innerlich vor Stolz zu platzen.
    »Papa, was ist? Bist du böse auf mich?«, fragte Sarah und legte ihre Hand auf die seine.
    »Sag’ ja nichts Falsches«, schien der stechende Blick seiner Frau zu bedeuten, während sie gespannt auf eine Reaktion von ihm warteten.
    »Nun?«, drängte Judith in harschem Ton, um den unerträglichen Moment der Stille zu zerreißen.
    Lodewig indessen versuchte, den Schweiß an seinen Händen loszuwerden, indem er sie unruhig an seiner Beingewandung rieb, was allerdings herzlich wenig nützte.
    »Na endlich. Ich habe schon gedacht, dass das überhaupt nichts mehr wird mit euch beiden«, sagte der Vater in sonorem Ton und bekundete damit deutlich, dass die jungen Leute sein Wohlwollen genießen durften, obwohl er wusste, dass eine konfessionsübergreifende Paarbeziehung gewaltige Probleme mit sich bringen konnte. Die Reaktionen der Seinen, zu denen Lodewig irgendwie ja längst gehörte, waren dementsprechend.
     
    Obwohl der junge Mann wusste, dass seine Eltern ebenfalls gelassen reagieren würden, schlug er sicherheitshalber die gleiche Taktik ein, die dann auch zu einem ähnlichen Ergebnis führte wie bei den Bombergs. Ulrich flüsterte seiner Frau ins Ohr: »Jetzt muss ich mit einer Großmutter das Lager teilen«, und handelte sich dafür eine sanfte Ohrfeige ein, der ein zartes Küsschen auf die gleiche Stelle folgte.
    Nur Propst Glatt zeigte sich entrüstet und meinte, die beiden jungen Leute schelten und belehren zu müssen. Er sah nicht die geringste Möglichkeit, diese Verbindung durch die Kirche legitimieren zu lassen – insbesondere, da die konfessionelle Problematik durch einen Bastard noch komplizierter geworden war. Der Kirchenmann wusste, dass er Ende des vergangenen Jahres bereits Unglaubliches zugelassen hatte, indem er die Juden an einem Bittgottesdienst für die seinerzeit schwer erkrankte Konstanze in der Schlosskapelle hatte teilnehmen lassen. An die Sache mit dem Leib des Herrn, bei der er der kleinen Lea anlässlich der Kommunion ein Stück Brot gegeben hatte, wollte er erst gar nicht mehr denken. Wenn dies jemand wüsste, könnte er jetzt noch der Ketzerei angeklagt werden. Und nun wollen die beiden auch noch heiraten, dachte er und rieb sich nachdenklich die Stirn. Erst als Lodewig damit argumentierte, dass es doch ohnehin zu spät sei, um über verschüttete Milch zu jammern, und noch genügend Zeit für eine Konvertierung Sarahs zum katholischen Glauben bliebe, bevor er sie vor der Niederkunft ehelichte, lenkte der Propst langsam ein, wobei das ausschlaggebende Stichwort ›Konvertierung‹ gewesen war.
    Als das jüdische Mädchen auch noch bemerkte, dass sich der Herrgott über jedes Kind freuen würde, streckte der konservative Kirchenmann seine Waffen ganz und erklärte sich bereit, gemeinsam mit den beiden Familien über die Sache zu sprechen.
    »Der 21. oder der 22. Mai wären ideal«, schlug er letztendlich vor und ließ dadurch ein glückliches Paar zurück, als er ging.

Kapitel 8
     
    Die ländlich geprägte Bevölkerung Staufens könnte jetzt bei strahlendem Sonnenschein längst ihrer Arbeit nachgegangen sein, wenn sie nur ein Fünkchen mehr Lebensmut besäße und dem Frieden trauen würde. Vorbei waren die Kälte und der durch den Medicus heimtückisch herbeigeführte Tod, der einen Großteil der Staufner Familien getroffen hatte. Geblieben waren eine dezimierte Einwohnerschaft und der Hunger als ständiger Wegbegleiter. Dennoch dachten die Staufner immer seltener an die schrecklichen Geschehnisse im Herbst des vergangenen Jahres. Obwohl es nachts immer noch stark abkühlte, war die Tagestemperatur für diese Jahreszeit ungewöhnlich hoch, weswegen die Bauern bei ihrer Feldarbeit zwar schwitzen mussten, dafür aber auf reiche Ernte hoffen konnten. Die würden sie auch brauchen, da sich in diesem Jahr das Ungeziefer plagenartig vermehrt hatte und einen beträchtlichen Teil des Ertrages wegzufressen drohte – insbesondere, weil auch die Mäuse- und Rattenpopulation seit dem Winter beängstigend gestiegen war. »Verfressene Viecher«, hörte man nicht nur den Schmied, der mit seiner Schaufel gar nicht so schnell nach den ungeliebten Mitbewohnern schlagen konnte, wie sie

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