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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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gewesen war.
    Große Sorgen machte Speen auch das zunehmende Schnapspanschen. Durch den unkontrollierten Alkoholkonsum kam es zu allerlei Unsinnigkeiten, Anzüglichkeiten und zusätzlichen Gewalttaten.
    »Und in dieser schwierigen Zeit lässt uns der feine Herr schon wieder allein, nur weil scheinbar irgendwo am Rande seiner Grafschaft wieder einmal die Pest ausgebrochen sein soll. Verdammt noch mal! Diese Scheißseuche bricht doch ständig irgendwo aus«, rief der ansonsten stets besonnene und absolut loyale Oberamtmann erzürnt aus.
    »Woher hat der Graf überhaupt diese Information und warum wissen wir nichts Konkretes darüber? Wahrscheinlich handelt es sich nur um Panikmache und alles ist halb so wild«, versuchte der bei vielen Gelegenheiten eher zu Aggression und Unüberlegtheit neigende Stadtammann Zwick, die Sache abzutun.
    Dass es sich tatsächlich um die Pest – und wie sie zwischenzeitlich auch noch gehört hatten, im nahen Staufen – handeln solle, wollten die Immenstädter nicht glauben. Dennoch trauten Speen und Zwick dem Frieden nicht so ganz und ließen sicherheitshalber die Wachen an den Stadtmauern verdoppeln und die vier Stadttore auch tagsüber schließen. Sie gaben den Befehl, so lange niemanden herein zu lassen, bis sie genau wussten, was los war. Wie recht sie damit hatten, würde sich schneller erweisen, als ihnen lieb war.
     
    *
     
    Als zwei Tage später Fabio vor dem die Stadt im Westen schützenden Schollentor auftauchte, herrschte helle Aufregung.
    »Ich habe für Euren Oberamtmann ein Sendschreiben vom Verwalter des Schlosses Staufen«, rief der Bote des Kastellans erschöpft, aber aufgeregt den Brief schwingend, schon von Weitem.
    Die Torwachen schickten nach Benedict von Huldenfeld, der entscheiden sollte, was mit dem offensichtlich aufgrund des langen Fußmarsches stark geschwächten Boten zu geschehen habe. Da der Hauptmann der Stadtwache zwischenzeitlich ebenfalls von den Pestgerüchten gehört hatte, ließ er Vorsicht walten und gebot Fabio, das gefaltete und versiegelte Papier durch einen Schlitz im Tor hereinzuschieben. Er gab den Befehl, den Einlass unter keinen Umständen zu öffnen, bis er mit Speen oder Zwick gesprochen hatte. Danach brachte er das Sendschreiben umgehend zum Oberamtmann, der hastig das Siegel brach und den Brief las, bevor er ihn weiterreichte.
    »Um Gottes willen«, entfuhr es Speen, dem das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. »Lasst den Boten unter keinen Umständen in die Stadt herein und sagt ihm, dass er warten soll, bis ich ein Rückschreiben angefertigt habe.«
    »Meine Wachen sind bereits instruiert«, beschied ihm der schneidige Gardehauptmann, dem man bei jeder seiner Bewegungen und bei der Art seiner Aussprache unschwer anmerken konnte, dass er von Adel war.
    »Gut! Wenn wir ihn schon nicht in die Stadt hereinbitten können, geht wenigstens anständig mit ihm um. Auch wenn der Bote schlechte Kunde bringt, hat er keinerlei Schuld auf sich geladen. Reicht ihm Wasser und Brot vom Wehrgang hinunter und legt auch noch ein Stück Speck dazu, zieht den Kübel aber nicht mehr hoch, sondern schmeißt auch noch das Seil hinterher! Niemand darf sich von ihm berühren lassen!«
    Der Oberamtmann überlegte kurz, was als Erstes zu tun sei, bevor er noch hastig anfügte, dass sich alle, die mit dem Brief in Berührung gekommen waren, sofort die Hände so fest waschen sollten, bis ihnen beinahe die Haut abfiel. Noch während er dem Hauptmann der Stadtwache diese Befehle gab, eilte er selbst an eine Wasserschüssel, um hastig seine Hände, mit denen er das womöglich infizierte Papier angefasst hatte, zu reinigen. Er ließ sich mehrmals frisches Wasser bringen, um sie immer und immer wieder aneinander zu reiben. Erst als er sicher zu sein glaubte, dass er sich mit der manischen Händewascherei der bedrohlichen Pest entledigt und sich dadurch vor Ansteckung geschützt hatte, begab er sich zu seinem Katheder und setzte ein kurzes Schreiben an den Kastellan auf, das er versiegelte und Hauptmann von Huldenfeld, nachdem auch dieser sorgfältig seine Hände gewaschen hatte, in die selbigen drückte.
    »Habt Ihr Eure Hände ordentlich gewaschen? – Gut! Nun werft dieses Schreiben dem Boten hinunter und schickt ihn unverzüglich nach Staufen zurück«, befahl er knapp, um sich sogleich daranzumachen, den Rat der Stadt und alle anderen wichtigen Leute Immenstadts zu einer Krisensitzung zusammenzurufen.
    Es dauerte kaum die Hälfte einer Stunde, bis alle

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