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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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versammelt waren. Aufgrund der Dringlichkeit hielt sich Speen nicht mit einer langen Vorrede auf, sondern kam gleich zur Sache: »Meine Herren! Ich habe eine äußerst beunruhigende Nachricht für Euch!«
    Die Honoratioren ahnten sofort, um was es ging, als der Versammlungsleiter eröffnete, vom Staufner Schlossverwalter ein Sendschreiben erhalten und dieses sofort verbrannt zu haben.
    »Es ist also doch wahr. Die Pest ist tatsächlich ausgebrochen«, bekräftigte ein Ratsmitglied das soeben Gehörte.
    »Und ausgerechnet in Staufen. Genau an dem Tag, an dem der junge Dreyling von Wagrain heiraten wollte«, bestätigte der Oberamtmann das Gesagte. Obwohl dies angesichts der anstehenden Probleme unwichtig war, ergänzte er noch, dass es zwar nicht schön, aber wohl kein Problem wäre, die Hochzeit zu verschieben.
    »Falls die jungen Leute die Pestilenz überleben sollten«, murmelte Stadtammann Zwick mit leicht süffisantem Unterton.
    »Mussten die Staufner im vergangenen Jahr nicht schon genug mitmachen?«, bekundete der honorige Leiter der Kaufmannszunft sein Mitgefühl.
    »Wie konnte dies geschehen?«, fragte ein anderes Mitglied des hohen Rates.
    »Laut Schreiben des verehrten Schlossverwalters Ulrich Dreyling von Wagrain muss es wohl ein Wanderschäfer gewesen sein, der die Pest vom Westlichen ins Obere Allgäu geschleppt hat!«
    »Also hat es doch gestimmt, dass diese vermaledeite Seuche zuvor in Scheidegg war. Das bedeutet, dass sich die Pestilenz jetzt über das ganze Allgäu ausbreiten könnte«, mutmaßten die Männer einmütig und schüttelten bedenklich ihre Köpfe.
    »Gibt es in Staufen weitere Tote?«, wurde der Oberamtmann gefragt.
    Speen zuckte mit der Schulter. »Offensichtlich noch nicht! Jedenfalls stand in dem Brief nichts davon. Da mir Dreyling von Wagrain nicht mehr mitgeteilt hat, als ich Euch schon gesagt habe, kann ich Euch auch nicht berichten, was genau geschehen ist. Geht aber davon aus, dass weitere Todesfälle folgen werden.«
    Die Ratsmitglieder setzten sich an den großen Tisch im Sitzungssaal und wollten gerade mit der Diskussion über Vorsorgemaßnahmen beginnen, als sich Stadtpfarrer Frey bekreuzigte und – nachdem es ihm alle nachgemacht hatten – damit begann, ein Gebet für die Scheidegger und die Staufner Bevölkerung zu sprechen. »… und möge der Herrgott unser geliebtes Städtle dieses Mal verschonen!«
     
    Den Staufnern war es anfangs auch nicht anders ergangen als den Immenstädtern. Aufgrund ihrer letzten Erfahrung mit der Pest, oder was man dafür gehalten hatte, war ihnen zunächst nicht bewusst geworden, dass es sich dieses Mal um die echte Seuche handelte, sie hatten sogar noch ihre Scherze damit gemacht: »Wahrscheinlich ist der Medicus von den Toten auferstanden und hat damit begonnen, sein gewinnbringendes Werk fortzusetzen«, hatte Josen Bueb am Stammtisch der ›Alten Sonne‹ getönt.
    Aber auch in der ›Krone‹ waren nur dumme Witze zu diesem Thema erzählt worden: »Was haben ein dunkles Bier und der Schwarze Tod gemeinsam?«, hatte der ›Pater‹ seine Stammtischbrüder gefragt. Und er hatte die Antwort gleich mitgeliefert: »Wenn man zu viel davon bekommt, muss man kotzen!« Dass er mit dem Begriff ›Schwarzer Tod‹ eine Bezeichnung für die Pest gewählt hatte, die erst wesentlich später in den allgemeinen Sprachgebrauch aufgenommen werden sollte, hatte er nicht gewusst.
    Hatte er da noch die Lacher auf seiner Seite, war den Staufnern das Lachen schlagartig vergangen, nachdem sich herumgesprochen hatte, dass der Totengräber einen Pesttoten beim Bechtelerhof abgeholt und nach Weißach hinunter zum bereits vor Jahren angelegten Pestfriedhof gekarrt hatte. Nur dem Kastellan war sofort klar geworden, was die Stunde geschlagen hatte, als er vom Propst darüber unterrichtet worden war, dass der Wanderschäfer der Pest erlegen war. Er hatte sofort nach den Bombergs schicken lassen, um mit ihnen und den Seinen darüber zu sprechen, wie mit der auf diesen Tag angesetzten Hochzeit verfahren werden sollte. Letztendlich waren sie so verblieben, dass die kirchliche Zeremonie in verkürzter Form und in kleinstem Kreise stattfinden sollte.
    »Es tut mir so leid für euch. Aber so seid ihr wenigstens offiziell Mann und Frau, und euer Kind hat legitime Eltern, falls … « Der Kastellan hatte sich um Haltung bemüht, hatte aber erst durchschnaufen müssen, bevor er den Satz beenden konnte. »Falls ihr vor unseren Schöpfer treten müsst … Aber daran denken wir

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