Der Peststurm
seinen Raubversuch nicht – wie es in dieser Zeit üblich war – sofort mit seinem Leben bezahlen musste. Langsam streckte er seine Glieder und entspannte sich, nun flach auf dem Rücken liegend.
Der Kastellan stand, nicht ohne auch jetzt auf einen gewissen Sicherheitsabstand zu achten, an dessen Kopfende und fuchtelte lachend mit der Spitze seiner Langwaffe über dessen Nase herum.
»Seht Ihr! Es wäre ein Leichtes für mich gewesen, Euch zu töten, während Ihr versucht habt, wieder Leben in Eure geschundene Manneskraft zu bringen. Ihr wisst, dass dies mein gutes Recht gewesen wäre. Da mir aber nicht der Sinn danach steht und ich schleunigst weiterreisen muss, werde ich den Dreck auf meiner Säbelspitze nicht gegen Euer Blut tauschen und Gnade vor Recht ergehen lassen. Ich verschone Euch. Steht auf und geht!«
Als ihm der unbekannte Reiter auch noch großzügig die Hand zum Aufstehen reichte, verstand der verdutzte Straßenräuber überhaupt nichts mehr.
Erst als der Hüne aufgerichtet vor ihm stand, erkannte der Kastellan, welch Glück er gehabt hatte, so schnell und richtig reagiert zu haben.
»Meiner Treu«, entfuhr es ihm respektvoll vor dessen imposanter Erscheinung. Instinktiv trat er zwei Armlängen zurück.
»Aber … warum?«, fragte der Straßenräuber.
»… ich nicht von meinem Recht Gebrauch gemacht habe, Euch für Euren verwerflichen Versuch, mich auszurauben, sofort zu töten?«, unterbrach der Sieger seinen Gegner, dem keinerlei Anzeichen von Furcht anzumerken waren, obwohl er sich soeben noch in einer denkbar schlechten Position befunden hatte.
Der mittlerweile als klarer Gewinner des ungleichen Kampfes Dastehende lachte auf. »Ich bin sicher, dass mich meine Menschenkenntnis nicht im Stich lässt, wenn sie mir sagt, dass Ihr zwar ein niederträchtiger Raubritter, aber kein übler Zeitgenosse seid und nur aus der Not heraus versucht habt, an mein Geld zu kommen … Stimmt’s? Wer also seid Ihr wirklich?«
Der Riese überlegte lange, bevor er antwortete: »Ich erbitte Eure Verzeihung für meinen schändlichen Versuch, Euch Euer Ross zu stehlen. Euer Geld habe ich nicht begehrt. Das müsst Ihr mir glauben.«
»Ja, ja. Schon gut. Ich vergebe Euch, wenn es Eurem Seelenheil dient. Betet gelegentlich einige Vaterunser für meine Familie, und sogar der Herrgott wird Euch vergeben. Aber nun sagt mir endlich, wer Ihr seid.«
Der Hüne nickte und versprach, einige ›Paternoster‹ für die ihm unbekannte Familie seines Bezwingers zu beten.
Oh! Er kann Latein, dachte sich der Kastellan verwundert, ging aber nicht darauf ein, sondern drängte ihn, endlich zu sagen, wer er sei und woher er käme.
»Ich habe mich als Hufschmied verdungen«, grummelte der Riese, weil dies am ehesten zu seiner Statur passen könnte. »Da es aber mangels Rössern kaum noch Arbeit für mich gibt, muss ich eben auf andere Art versuchen, mich zu ernähren. Und da Ihr mit Eurem verstaubten Tuch vor dem Gesicht und dem ins Gesicht gezogenen Schlapphut auch nicht gerade einen vertrauenerweckenden Eindruck auf mich gemacht habt, habe ich gedacht, einem Reiter, der sicher selbst ein Pferdedieb ist, das Ross abnehmen zu können und … «
»Apropos Pferd«, unterbrach ihn der Kastellan abermals und holte sein in der Nähe grasendes Ross, das nicht sein ›Rabe‹ war, weil dieser mit einem geschwollenen Knöchel im Stall stand, weswegen er eine braune Stute dabei hatte. Wieder zurück, fragte er den Hünen, ob es hier in der Nähe eine Taverne gäbe, wo man sich den Staub aus der Kehle spülen könne.
»Unweit von hier, am Ortseingang von Bregenz, befindet sich der ›Schwanen‹«, bekam er mit einem Fingerzeig zur Antwort.
»Um dorthin zu gelangen, muss ich durch die tobende Menschenmenge«, stellte der Kastellan fest und schlug deshalb vor, sich hier irgendwo niederzulassen, um etwas zu plaudern.
»Ich möchte mehr von Euch wissen, Riese.«
So setzten sich die beiden unterschiedlichen Männer auf etwas abseits liegende Findlinge, wo sie das von der Straße kommende Geschrei nicht so laut hörten. Dabei achtete der Kastellan auf einen gewissen Sicherheitsabstand. Obwohl er nicht den geringsten Grund hatte, dem Gauner zu vertrauen, fand er irgendwie Gefallen an ihm, weshalb er ihn unumwunden fragte, wie er heiße. Der Wegelagerer erweckte den Eindruck, als wenn er überlegen müsste, bevor er antwortete: »Mein Name ist … Jodok.«
»Und ich heiße Ulrich!«
Der Kastellan gab dem Straßenräuber dessen imposante
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