Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
ausbildet und an Eurer Arbeit teilhaben lasst.«
»Du hast mich bestohlen.«
»Ich weiß«, sagte Jasnah. »Und das tut mir leid.«
Jasnah hob eine Braue.
»Es gibt keine Entschuldigung dafür«, sagte Schallan. »Jasnah, ich bin mit dem Vorsatz hergekommen, Euch zu bestehlen. Ich hatte es von Anfang an geplant.«
»Soll ich mich jetzt etwa besser fühlen?«
»Ich hatte geplant, die verbitterte Häretikerin Jasnah zu bestehlen«, sagte Schallan. »Ich hatte mir aber nicht vorgestellt, dass ich diesen Diebstahl einmal bedauern könnte. Ich bedauere ihn nicht einmal wegen Euch, sondern weil dies bedeutet,
dass ich all das hier zurücklassen muss. Ich habe es zu lieben gelernt. Bitte. Ich habe einen Fehler gemacht.«
»Einen großen Fehler. Einen, der niemals wiedergutzumachen ist.«
»Lasst ihn nicht noch größer werden, indem Ihr mich wegschickt. Ich bin jemand, den Ihr nicht anlügen müsst. Ich weiß alles.«
Jasnah lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.
»Ich habe das Fabrial in der Nacht gestohlen, in der Ihr diese Diebe umgebracht habt, Jasnah«, fuhr Schallan fort. »Vorher war ich zu dem Schluss gekommen, dass ich es nicht tun kann, aber Ihr habt mich davon überzeugt, dass die Wahrheit nie so einfach ist, wie sie zu sein scheint. Ihr habt einen Sturm in mir entfacht. Ich habe einen Fehler begangen. Und ich werde noch weitere begehen. Ich brauche Euch.«
Jasnah holte tief Luft. »Setz dich.«
Schallan setzte sich.
»Du wirst mich nie wieder anlügen«, sagte Jasnah und hob den Finger. »Und du wirst weder mich noch sonst jemanden je wieder bestehlen.«
»Das verspreche ich.«
Jasnah saß eine Weile schweigend da, dann seufzte sie. »Rutsch hier herüber«, sagte sie und öffnete ein Buch.
Schallan gehorchte, als Jasnah einige mit Notizen beschriebene Blätter herausnahm. »Was ist das?«, fragte Schallan.
»Du willst an dem teilhaben, was ich tue? Nun, dann musst du dies hier lesen.« Jasnah warf einen Blick auf die Notizen. »Es geht um die Bringer der Leere.«
35
AUFGEZEICHNET IN BLUT
S zeth-Sohn-Sohn-Vallano, der Unwahre von Schinovar, ging mit gebeugtem Rücken und trug einen Sack mit Korn vom Schiff auf den Kharbranther Kai. Die Stadt der Glocken roch nach einem frischen Meeresmorgen, friedlich und doch aufregend. Fischer riefen Freunden etwas zu, während diese ihre Netze flickten.
Szeth gesellte sich zu den übrigen Trägern und schleppte seinen Sack durch die gewundenen Straßen. In einer anderen Stadt hätte der Händler vielleicht einen Chull-Karren benutzt, aber Kharbranth war für seine Menschenmassen und die steilen Gassen berüchtigt. Eine Reihe von Trägern war da eine nützliche Alternative.
Szeth hielt den Blick gesenkt. Teils wollte er damit die anderen Arbeiter nachahmen, teils wollte er es vermeiden, in den Sonnenball zu sehen, den Gott aller Götter, der ihn beobachtete und seine Scham sah. Szeth hätte während des Tages nicht auf der Straße sein dürfen. Er hätte sein schreckliches Antlitz verbergen müssen.
Er fühlte sich, als hinterließe jeder seiner Schritte einen blutigen Abdruck. Die Massaker, die er in den vergangenen Monaten begangen hatte, in denen er für seinen verborgenen Meister gearbeitet hatte … er hörte die Toten schreien, sobald
er die Augen schloss. Sie kratzten an seiner Seele, zerrieben sie zu nichts, suchten ihn heim und verzehrten ihn.
So viele Tode. So viele Tote.
Verlor er gerade den Verstand? Jedes Mal, wenn er zu einem Attentat aufbrach, gab er die Schuld den Opfern. Er verfluchte sie dafür, dass sie nicht stark genug waren, gegen ihn zu kämpfen und ihn zu töten.
Während jedes Gemetzels trug er Weiß, wie es ihm befohlen war.
Ein Fuß vor den anderen. Denk nicht nach. Denk nicht an das, was du getan hast. Und nicht an das, was du … tun wirst.
Er hatte den letzten Namen auf der Liste erreicht: Taravangian, der König von Kharbranth. Ein geliebter Herrscher, der dafür berühmt war, dass er in seiner Stadt Krankenhäuser erbaute und unterhielt. Es war bis nach Azir bekannt, dass Taravangian jeden Kranken aufnahm. Komm nach Kharbranth, und du wirst geheilt. Der König liebte alle.
Und Szeth würde ihn töten.
Auf dem höchsten Punkt der steilen Stadt trug Szeth seinen Sack zusammen mit den anderen um den Palast herum zur Hinterseite und betrat einen schwach erleuchteten Steinkorridor. Taravangian war ein einfacher Mann. Das hätte Szeth vielleicht noch größere Schuldgefühle verschaffen sollen, doch er wurde von Verachtung
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