Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
gefährlich, ja. Sadeas wird eine Menge unternehmen, um uns wieder einzufangen, und vermutlich wird uns am Ende eine ganze Kompanie nachjagen. Sturmverdammt, höchstwahrscheinlich werden wir gar nicht erst aus dem Lager entkommen, aber immerhin – es wäre einen Versuch wert.«
Er hielt inne und wartete, während sich die Männer gegenseitig unsicher ansahen.
»Ich mache mit«, sagte Teft und richtete sich auf.
»Ich auch«, meinte Moasch und trat vor. Er wirkte aufrichtig.
»Und ich auch«, sagte Sigzil. »Ich würde ihnen lieber in ihre Alethi-Gesichter spucken und unter ihren Schwertern sterben, als weiterhin ein Sklave zu sein.«
»Ha!«, rief Fels. »Und ich werde euch allen so viel zu essen kochen, dass ihr bei Kräften seid, wenn ihr sie tötet.«
»Du willst nicht mit uns kämpfen?«, fragte Dunni überrascht.
»Das ist nichts für mich, nein«, sagte Fels und hob das Kinn.
»Also, ich mache mit«, verkündete Dunni. »Ich bin dein Mann, Kaladin.«
Die anderen stimmten allmählich ein, jeder Einzelne stand auf, und einige hoben Speere vom nassen Boden auf. Sie brüllten nicht vor Erregung oder stimmten einen Kriegsgesang an wie andere Truppen, die Kaladin schon angeführt hatte. Sie hatten Angst vor der Vorstellung, kämpfen zu müssen, denn die meisten von ihnen waren lediglich Sklaven oder Arbeiter. Aber sie waren willig.
Kaladin trat vor und entwickelte zusammen mit ihnen einen Plan.
8
DIE WEINUNG
FÜNF JAHRE FRÜHER
K aladin hasste die Weinung. Sie bedeutete das Ende des alten Jahres und den Beginn des neuen. Es waren vier alten Jahres und den Beginn des neuen. Es waren vier lange Wochen Regen, der in schmutzigen Tropfen ununterbrochen niederging – niemals so tobend und leidenschaftlich wie ein Großsturm, sondern ganz langsam und stetig. Wie das Blut des sterbenden Jahres, das die letzten zitternden Schritte auf den Grabhügel zu machte. Während die anderen Jahreszeiten unvorhersehbar waren, kam die Weinung immer zum selben Zeitpunkt. Leider.
Kaladin lag auf dem Spitzdach seines Hauses in Herdstein. Ein kleiner, mit einem Holzstück abgedeckter Eimer mit Pech stand neben ihm. Er war fast leer, denn Kaladin war mit dem Abdichten des Daches beinahe fertig. Die Weinung war zwar eine schlechte Zeit für eine solche Arbeit, aber ein Leck konnte äußerst störend sein. Sie würden das Dach neu decken, wenn die Weinung vorbei war, doch jetzt mussten sie die nächsten Wochen wenigstens nicht unter dem ständigen Tröpfeln auf den Esstisch leiden.
Er lag auf dem Rücken und schaute in den Himmel hinauf. Vielleicht hätte er vom Dach klettern und ins Haus gehen sollen,
aber er war schon bis auf die Haut durchnässt. Also blieb er. Sah hoch. Dachte nach.
Eine weitere Armee zog durch den Ort; es war eine von vielen. Häufig kamen sie während der Weinung, füllten ihre Vorräte auf und zogen zu neuen Schlachtfeldern. Roschone hatte sich in der Öffentlichkeit gezeigt, was selten geschah, und den Kriegsherrn willkommen geheißen. Es war Großmarschall Amaram persönlich, das Oberhaupt der Alethi-Verteidigung in diesem Gebiet, der anscheinend ein entfernter Verwandter von Roschone war. Unter jenen, die bisher in Alethkar verblieben waren, galt er als einer der berühmtesten Soldaten. Die meisten waren auf die Zerbrochene Ebene gezogen.
Die kleinen Regentropfen trübten Kaladins Augen. Viele Menschen mochten diese Wochen, denn in ihnen gab es keine Großstürme, außer dem einzelnen in der Mitte der Zeit. Für die Leute des Ortes war dies eine angenehme Zeit, sich von der Feldarbeit zu erholen und auszuspannen. Kaladin aber sehnte sich nach der Sonne und dem Wind. Er vermisste tatsächlich die Großstürme mit ihrem Toben und ihrer Kraft. Diese Tage waren eintönig, und es fiel ihm schwer, an ihnen etwas Sinnvolles zu tun. Es war, als hätte seine Kraft durch die fehlenden Stürme abgenommen.
Nur wenige Menschen hatten Roschone seit jener schicksalhaften Weißdornjagd und dem Tod seines Sohnes gesehen. Er verbarg sich in seinem Haus und wurde allmählich zum Einsiedler. Die Leute von Herdstein führten ein sehr gedämpftes Leben, als ob sie befürchteten, dass Roschone jederzeit explodieren und seine Wut gegen sie richten könnte. Doch davor hatte Kaladin keine Angst. Ein Sturm – ob er nun von einer Person oder vom Himmel kam – war etwas, worauf man reagieren konnte. Aber dieses allmähliche Ersticken, dieses langsame und stetige Abfließen des Lebens … das war viel, viel
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