Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
lässt. Wir begleiten dich bis zur Grenze. Ich rate dir aber, nicht in Sadeas’ Lager zurückzukehren. «
Die Frau nickte und drückte ihr Kleid gegen die Brust. Ihre Schutzhand blieb noch immer entblößt. Sie war schlank, hatte eine gebräunte Haut, und ihre Finger waren lang und zart. Kaladin starrte sie an und errötete. Sie drückte sich an den Hellherrn heran, während seine beiden Kameraden die Seitenstraßen beobachteten und ihre Hellebarden gesenkt hielten. Obwohl ihr Haar zerzaust und ihre Schminke verlaufen war, wirkte sie sehr hübsch. »Danke, Hellherr. Dürfte ich mich bei Euch erkenntlich zeigen? Es würde Euch nichts kosten. «
Der junge Hellherr hob eine Braue. »Verführerisch«, sagte er, »aber mein Vater würde mich dafür umbringen. Er ist ein Anhänger des alten Weges.«
»Wie schade«, sagte sie, entfernte sich ein wenig von ihm und bedeckte unbeholfen ihre Brust, während sie den Arm in den Ärmel steckte. Sie holte einen Handschuh für ihre Schutzhand hervor. »Euer Vater ist also etwas prüde?«
»Das könnte man so sagen, ja.« Er wandte sich an Kaladin. »Hallo, Brückenjunge.«
Brückenjunge? Dieser Kerl schien nur wenige Jahre älter als Kaladin zu sein.
»Lauf los und überbringe Hellherr Reral Makoram eine Botschaft«, sagte der Splitterträger und warf Kaladin etwas zu. Es war eine Kugel. Sie glitzerte im Sonnenlicht auf, bevor Kaladin sie auffing. »Er ist im Sechsten Bataillon. Sag ihm, dass Adolin Kholin es nicht zum heutigen Treffen schafft. Ich werde ihm Nachricht geben, auf wann es verschoben wird.«
Kaladin betrachtete die Kugel in seiner Hand. Es war ein Smaragdstück – mehr als er in zwei Wochen verdiente. Er sah wieder auf. Der junge Hellherr und seine beiden Kameraden waren bereits weitermarschiert; die Hure folgte ihnen.
»Du wolltest ihr helfen«, sagte eine Stimme. Er schaute hoch, als sich Syl auf seine Schulter setzte. »Das war sehr ehrenwert von dir.«
»Die anderen sind zuerst da gewesen«, sagte Kaladin. Und einer von ihnen war immerhin ein Hellauge. Was hatte er da noch tun können?
»Aber du hast es versucht.«
»Dummerweise«, sagte Kaladin. »Was hätte ich denn tun sollen? Ein Hellauge verprügeln? Das hätte mir das halbe Lager auf den Hals gehetzt, und die Hure wäre vermutlich noch schlimmer geschlagen worden, weil sie diesen ganzen Aufruhr verursacht hatte. Vielleicht wäre sie sogar gestorben, nur weil ich ihr helfen wollte.«
Er durfte sich nicht der Täuschung hingeben, dass er verflucht war oder immerzu Pech hatte. Aberglaube brachte ihn nirgendwohin. Doch er musste zugeben, dass es immerhin ein verwirrendes Muster war. Wie hätte er etwas anderes erwarten dürfen, wenn er jetzt wieder so gehandelt hätte wie immer? Er musste etwas Neues versuchen. Er sollte sich verändern. Und dazu musste er noch mehr nachdenken.
Kaladin machte sich auf den Rückweg zum Holzplatz.
»Willst du nicht tun, was der Hellherr gesagt hat?«, fragte Syl. Ihre plötzliche Angst schien vollkommen verschwunden zu sein. Sie verhielt sich so, als wollte sie den Anschein erwecken, dass sie diese Angst nie gehabt hatte.
»Nachdem er mich so herablassend behandelt hat?«, fuhr Kaladin sie an.
»So schlimm war es nun auch wieder nicht.«
»Ich werde mich ihm nicht fügen«, sagte Kaladin. »Ich beuge mich nie mehr ihren Launen, nur weil sie es von mir erwarten.
Wenn ihm an dieser Botschaft so viel gelegen hätte, dann hätte er sich vergewissern müssen, ob ich sie überbringen will.«
»Du hast seine Kugel angenommen.«
»Die er dem Schweiß der Dunkelaugen zu verdanken hat, die er ausbeutet.«
Syl schwieg für eine Weile. »Diese Dunkelheit, die über dir liegt, wenn du von ihnen sprichst, ängstigt mich, Kaladin. Du bist nicht mehr du selbst, wenn du an die Hellaugen denkst.«
Darauf erwiderte er nichts, sondern ging einfach weiter. Er schuldete diesem Hellherrn überhaupt nichts, außerdem hatte er den Befehl, pünktlich auf dem Holzplatz zu sein.
Doch der Mann hatte sich schützend vor die Frau gestellt. Nein, sagte Kaladin mit großer Bestimmtheit zu sich selbst. Er hat nur eine Möglichkeit gesucht, einen von Sadeas’ Offizieren bloßzustellen. Jeder kennt die Spannungen zwischen den beiden Lagern.
Dann aber wollte er nicht weiter über diese Angelegenheit nachdenken.
11
STURMSEGNUNGEN
EIN JAHR FRÜHER
K aladin drehte den Stein zwischen seinen Fingern hin und her – die Quarzkristalle fingen das Licht ein. Er stand an einem großen Fels und
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