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Der Pfad der Woelfin

Der Pfad der Woelfin

Titel: Der Pfad der Woelfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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absolut dicht.
    Nur einmal wurde sie aufgerissen. Ein hinkender, älterer Mann trat heraus. Er schien nüchtern, obwohl sein Gesicht gerötet war. Er beachtete mich kaum, und ich erhaschte einen Blick in den Flur, der nun verlassen war. Weder von Vater noch von Lucrezia sah ich eine Spur. Sie mußten in eines der Zimmer gegangen sein.
    Wieder verging eine Spanne Zeit, bis Vater endlich zu mir zurückkam.
    Er wirkte fast fröhlich, und das war es, was ich am wenigsten erwartet hätte.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte er und hob mich zu sich hinauf, um mir einen Kuß auf die Wange zu drücken. »Sie hat mir ein Angebot gemacht, das ich nicht ausschlagen konnte . Wir bleiben hier, zumindest den Winter über!«
    »Was mußt du tun?«
    Er setzte mich wieder ab. Vielleicht täuschte ich mich, aber ich glaubte einen Schatten über sein Gesicht huschen zu sehen.
    »Die Räume in Ordnung halten. Botendienste erledigen . Dies und das eben .«
    Ich fragte nicht weiter. Aber sonderbar kam es mir schon vor.
    »Und ich?« fragte ich. »Kann ich bei dir bleiben, oder muß ich wieder in irgendeinem Schuppen schlafen?«
    »Du erhältst eine eigene Kammer - ist das nicht toll?«
    »Und du?«
    »Es ist alles geregelt.«
    Er nahm mich an der Hand und ging mit mir hinein.
    Drinnen lernte ich Marie und Chantalle kennen, die für Lucrezia arbeiteten - was auch immer sie unter Arbeit verstanden.
    Noch ehe ich vier war, bekamen meine Augen und Ohren vieles von dem mit, was Frauen und Männer miteinander trieben, nur um die Zeit totzuschlagen.
    Aber es blieb mir ein Rätsel, wie man daran auch noch Spaß finden konnte .
    *
    Marseille, 2. Februar 1515
    »Denkst du noch manchmal an Afrika?«
    Ich hatte die Frage leise gestellt. Wir spazierten auf den Klippen, und unter uns waren die Wellen der Brandung mit Gischtkronen gesäumt.
    Wir waren weit aus der Stadt gelaufen. Ich hatte lange darum bitten müssen, bis Vater einwilligte, mir diese paar Stunden der Zwei-samkeit zum Geburtstag zu schenken.
    Er war anders geworden, seit wir in Marseille waren.
    Es war, als würden wir einander von Tag zu Tag fremder. Anfangs hatte ich nicht gewußt, woran dies liegen könnte. Doch inzwischen war ich mir sicher, daß Lucrezia die Schuld daran hatte.
    Sie vereinnahmte Vater völlig. Nicht mit Arbeit oder Botengängen, von denen er gesprochen hatte, sondern einfach indem sie sich mit ihm in ihr Zimmer zurückzog, zu dem ich keinen Zutritt hatte.
    Dort blieben sie stunden-, nächtelang.
    Wenn ich Vater darauf ansprach, daß ich mich einsam fühlte, gab er mir Geld.
    Ja, er hatte plötzlich Geld - mehr als je zuvor. Lucrezia bezahlte ihn - für was, wurde mir immer schleierhafter.
    Einige Male hatte ich versucht, durch das Schlüsselloch zu spionieren. Aber obwohl kein erkennbarer Schlüssel darin steckte, war es finster wie ein Mauseloch. Und kein Laut drang von drinnen nach draußen.
    Im Gegensatz zu den anderen Zimmern, wo Chantalle und Marie ihren Besuch empfingen ...
    »Afrika?« fragte Vater geistesabwesend.
    Es tat weh zu spüren, wie fern er mir auch jetzt in seinen Gedanken war.
    »Wir wollten doch nach Afrika - du und ich!«
    Er wischte sich über die Augen und hielt inne. Das Gesicht zum Meer gewandt setzte er sich auf einen aus dem Boden ragenden Fels.
    Ich blieb stehen.
    Winzige Tropfen sprühten uns, von einer frischen Brise getragen, entgegen. Ich schloß die Augen zu zwei schmalen Schlitzen.
    »Wer weiß, wie es in Afrika ist«, sagte er. »Die Wirklichkeit sieht meistens anders aus als das, was man erträumt .«
    Was mir früher weise erschienen wäre, konnte ich nun kaum ertragen. »Du Verräter!« platzte es aus mir heraus, und ich begann mit meinen Fäusten auf seinen Rücken zu trommeln. »Wir wollten immer zusammen sein! Nur wir beide ...!«
    Ich ließ die Arme baumeln und fing an zu schluchzen.
    Die Betroffenheit in seinen Augen gab mir Genugtuung. Ja, etwas anderes zu behaupten, wäre Lüge. Für einen Moment hoffte ich tatsächlich, ihn wachgerüttelt zu haben.
    Doch dann senkte er den Blick und sagte: »Geht es uns nicht gut? Gebe ich dir nicht genug Geld, damit du dir in der Stadt Spielzeug und Kleider kaufen kannst? Das hatten wir früher nicht. Du weißt nicht, was für ein Leben ich führte - schon lange bevor du da warst .«
    Ich spürte, wie die Kraft aus mir wich. »Wie sollte ich das wissen -wenn du nie darüber redest.«
    »Es gibt nichts zu reden. Vorbei ist vorbei. Ich weiß nur sicher, daß ich nie wieder die Zielscheibe

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