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Der Pfad der Woelfin

Der Pfad der Woelfin

Titel: Der Pfad der Woelfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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nicht. Und das, obwohl die Wachen verdoppelt und nachts überall Lampen aufgestellt wurden. Gerade unter den Wachen kostete es die meisten Opfer.
    Am Ende war man soweit, daß man sich - trotz des Risikos, vom Kurs abgetrieben zu werden - nachts gemeinsam in einer der Mannschaftskajüten einschloß und bei Kerzenschein zusammen betete. Daraufhin verschwand tagelang niemand mehr. Die See war einigermaßen ruhig, so daß man das Ruder bei Einbruch der Dunkelheit vertäuen und darauf hoffen konnte, Marseille in spätestens einer Woche zu erreichen. Der wuchernde Aberglaube löste manchen Koller aus, aber letztlich siegte nach Tagen der Ruhe doch der Glaube, dem Klabautermann ein Schnippchen geschlagen zu haben.
    Doch die sechste Nacht, in der sie sich in eine der Kajüten zurückgezogen hatten, belehrte sie eines schlechteren. Gegen Morgen wurde urplötzlich die Luke aufgerissen, und eine brüllende Gestalt stürzte völlig von Sinnen zu ihnen herab. Den Männern gerann das Blut in den Adern, als sie erkannten, wer sich vor ihren Augen auf den nächstbesten von ihnen stürzte und ihm mit den bloßen Zähnen die Kehle durchbiß: Es war jener Matrose, der zu Beginn der Rückreise von den Kapverden ertrunken an Bord zurückgeholt worden war - um sich dann scheinbar in Luft aufzulösen ...!«
    »Wie können sie erwarten, daß wir ihnen so einen Unsinn abkaufen?«
    »Sie schwören, daß es die Wahrheit ist!«
    »Wenn keine Krankheit an Bord gewütet hat und noch wütet, will man womöglich eine Meuterei vertuschen! Ich werde eine Untersuchung veranlassen! - Wie will man überhaupt mit diesem lebenden Leichnam fertiggeworden sein? Kann man ihn uns zeigen?«
    »Nein. Einer der Matrosen behauptet, ihm mit einer Harpune durch den Rücken ins Herz gestoßen zu haben, woraufhin er .«
    »Woraufhin er?«
    ». zu Asche zerfiel.«
    »Asche.«
    »So wurde uns versichert .«
    »Na, großartig. Ich werde selbst hinüber rudern und aus ratsamer Distanz mit den Überlebenden sprechen. Niemand verläßt einstweilen das Schiff! Die Ärzte müssen informiert werden, ebenso der Rat der Stadt! Die Quarantäne wird frühestens nach der üblichen Inkubationszeit der uns bekannten Seuchen aufgehoben - und danach wird wegen Meuterei ermittelt! Unter keinen Umständen darf es dazu kommen, daß eine Krankheit in die Stadt eingeschleppt und verbreitet wird ...!«
    *
    »Was hältst du von dem, was sich an Bord abgespielt haben soll?« fragte ich Aurel, als wir unser Versteck verlassen hatten und wieder durch die Gassen stromerten.
    »Es ist die Pest«, erwiderte er. »Bestimmt ist es die Pest ... o Mann!«
    »Ist das eine schlimme Krankheit?«
    »Du bekommst überall Geschwüre und schwarze Beulen, spuckst Blut und fällst um!«
    »Das ist ja widerlich!«
    »Sag ich doch.«
    Nach einer Weile wollte ich wissen: »Wo liegen die Kapverden? In Afrika?«
    »Wieso in Afrika?«
    »Eines Tages will ich dorthin. Es soll schön sein ... Und die Pest gibt es dort bestimmt nicht!«
    Er zuckte die Achseln. »Mag sein. Wie willst du dorthin kommen?«
    »Ich gehe mit meinem Vater.«
    Er verzog das Gesicht. »Wenn ich noch einen Vater hätte, würde er mich auch dorthin mitnehmen.«
    Ich berührte seine Hand, und wir blieben beide in der hastenden Menge stehen. »Du kannst mit uns kommen«, sagte ich. »Mein Vater hat bestimmt nichts dagegen .«
    Er setzte eine zweiflerische Miene auf. Dann rempelte ihn ein Hafenarbeiter an, und der Zauber des Moments verflog.
    *
    Der Sommer verging wie im Fluge. Und obwohl Aurel und ich unzertrennlich waren, fehlte mir etwas.
    Vater fehlte mir.
    Ich war nur noch nachts Gast in der Matrosenabsteige über dem Wirtshaus, und obwohl es mir niemand erklärte - auch Aurel nicht, bei dem ich alles, was damit zu tun hatte, totschwieg - erfaßte ich mit kindlicher Intuition, was hier vorging.
    Zumindest kratzte ich an der Oberfläche dieser Dinge.
    Das wahre Ausmaß jedoch blieb mir noch verschlossen.
    Die Galeone, auf der sich das Unheimliche abgespielt haben sollte, wurde irgendwann aus der Quarantäne entlassen, weil unter ärztlicher Aufsicht über Wochen kein Krankheitsfall innerhalb der übriggebliebenen Besatzung festgestellt werden konnte.
    Damit blieben zwei Möglichkeiten: Entweder war es zu einem bewaffneten Aufstand an Bord gekommen - oder die gruselige Geschichte stimmte.
    Lange Zeit blieb die LEVIATHAN, so der Name des Schiffes, in der Stadt Tagesgespräch. Doch irgendwann schwand ganz allmählich das Interesse, und auch Aurel

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