Der Pfad des Kriegers (German Edition)
die letzten Meter überwunden und öffnete die Tür zu der kleinen Kammer. Ein letzter Schritt brachte ihn an Arvids Seite. Dieser lag immer noch mit geschlossenen Augen auf dem Bett. Schweiß stand auf seiner Stirn, aber er wirkte ruhiger als zuvor. Für einen Moment dachte Thomas, er sei tot, doch dann sah er wie sich Arvids Brust langsam hob und senkte.
„Arvid? Arvid?“, sagte er leise, kaum hörbar. Dann wiederholte er seine Worte etwas lauter, aber sein Freund rührte sich nicht. Vorsichtig schüttelte er ihn an der Schulter, aber es kam keine Reaktion. Arvid schien tief und fest zu schlafen, nicht mehr ansprechbar als noch vor einer Stunde. Aber aus dem selbstzerstörerischen Fieberwahn war ein ruhiger Schlaf geworden. Vielleicht würde er es ja doch schaffen. Aber er sah fürchterlich geschwächt aus, sein Schicksal war noch nicht entschieden, das wusste Thomas. Seine schwarzen, schweißgetränkten Haare klebten in seinem Gesicht und die Wangen waren eingefallen. Er erinnerte Thomas an seinen Großvater, wie er tot da gelegen hatte, aufgebahrt auf dem großen Tisch im Versammlungshaus. Aber Arvid lebte noch.
Er sollte wohl neues Wasser für die Umschläge holen. Er griff nach dem kleinen Holzeimer und lief an Deck. Eine steife Brise wehte, aber das Meer war fast völlig ruhig. Bald würden sie wieder Segel setzen können und dann würde es nicht lange dauern, bis sie daheim waren. Fast alle Männer hatten sich um Ulf versammelt, der bleich und mit besorgtem Gesichtsausdruck am Hauptmast lehnte.
Thomas begab sich zur Gruppe. Niemand beachtete ihn.
„ … die Taisin können unmöglich den ganzen Kontinent unter ihrer Kontrolle haben!“, hörte Thomas einen älteren Krieger sagen.
Ulfs Antwort ließ nicht lange auf sich warten:
„Mir gefällt die Idee trotzdem nicht. Wir ...“
„Denkst du uns?“, Niusi, der kaum weniger am Leben wirkte als Ulf, erhob jetzt seine Stimme:
„Aber was sollen wir machen? Der Wind steht gegen uns und wenn meine Schätzung stimmt, dann sind wir mindestens eine Woche von unserer neuen Heimat entfernt.“
„Niemand von uns kann so lange gegen den Wind anrudern!“, warf ein anderer Krieger ein.
Thomas Knie fühlten sich an wie Butter. Sie würden nicht nach Hause zurückkehren? Sie würden zu den Taisin gehen? Was für ein Wahnsinn war das?
„Wir haben noch Vorräte für vielleicht drei oder vier Tage, mit etwas Glück schaffen wir es damit nach Enain. Aber nie im Leben zurück. Nicht bei diesem Wind!“
Alle Männer nickten. Bis auf Ulf. Der schaute Niusi traurig an.
„In Ordnung. Setzt das Segel, wir fahren nach Hause!“
Wenn Ulf erwartet hatte, dass diese Worte bei den Männern eine gewisse Begeisterung auslösten, so hatte er sich getäuscht. Die nickten nur wieder stumm und machten sich dann an die Arbeit.
„Was wurde beschlossen?“
Thomas drehte sich um. Der Söldner stand hinter ihm. Die Strapazen der vergangenen Tage schienen ihm nicht viel ausgemacht zu haben.
„Wir fahren nach Enain.“, erwiderte Thomas mit belegter Stimme.
„Wohin?“
„Auf die andere Seite des Meeres. Da, wo sie her kommen.“
Der Söldner schaute ihn an.
„Hm, ich hatte mir so was schon gedacht. Dieser verfluchte Wind! Naja, wir sollten das Beste daraus machen! Ich hau' mich mal eine Runde hin!“
Thomas schaute ihn mit großen Augen an.
„Sie werden mich schon wecken, wenn sie mich brauchen, Thomas. Wenn ich eins in drei Jahrzehnten als Söldner gelernt habe, dann zu schlafen und zu essen, wann immer man kann. Man weiß nie, wann man das nächste Mal Gelegenheit dazu hat.“
Barrett klopfte ihm der rechten Hand auf die Schulter und begab sich dann zur windgeschützten Seite des Steuerhauses. Kurz darauf war er eingeschlafen.
Vielleicht sollte er selbst das auch tun? Thomas unterdrückte ein Gähnen und beschloss noch mal nach Arvid zu schauen, bevor er sich schlafen legte. Schnell füllte er den Eimer mit Salzwasser und begab sich wieder unter Deck.
XXXV
Wütende Blicke trafen Sion, als er mit über hundert Mann seiner Leibwache durch die ausgebrannten Ruinen des Hafenviertels schritt. Brendan neben ihm sah sich immer wieder unruhig um, die Hand nie weit vom Schwertgriff. Wie hatte es nur so weit kommen können? Gerade eben noch war er der beliebteste König seit Menschengedenken gewesen, die Maegrin besiegt, ihre Anführer und besten Krieger bald ermordet, die Überreste keine Gefahr für die Llaevin. So zumindest war der Plan
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