Der Pfad des Kriegers (German Edition)
Nur wo? Er konnte ja schlecht nachfragen, damit begab er sich nur selbst in Gefahr.
Sigurd musste hinter all dem stecken. Fast alle wichtigen Leute hier waren seine Anhänger, sogar Runi, der alte Seemeister, hatte sich in den letzten Wochen immer wieder auf Sigurds Seite gestellt nach diesem schicksalshaften Zusammenstoß zwischen Hafgrimr und Skjoldr. Der alte Krieger war auch kein Freund Sigurds, aber eben auch genauso wenig von Skjoldr oder Arvid. Wenn jemand Skjoldr ermordet hatte, dann er. Wobei dieser Greis mit seinem überkommenen Ehrverständnis ihn vermutlich nicht ermordet hätte, sondern im Duell erschlagen. Wo auch immer da der Unterschied lag. Ja, das machte Sinn. Wenn Skjoldr auf irgendeine Art und Weise ums Leben gekommen war, würden seine Leute schnellstmöglich das Lager verlassen haben. Genauso wie Leifi. In Kneipen konnte er sich auch nicht umhören. Da ging es selten um Politik und vermutlich würden sie ihn nur auslachen und nicht mal zuhören lassen. Schließlich war er Arvid Buchklug, der Feigling. Er fasste einen Entschluss.
Der Burghügel war schnell erreicht und wieder fragte er Hamar nach dem König. Diesmal schickte er ihn weg, ohne auch nur im Inneren des Hauses nachzufragen. Er schaute dabei seltsam bedauernd. Sollte der König etwa auch …? Nein, das war unvorstellbar. Nicht einmal Sigurd würde den König ermorden lassen. Der Gedanke erschreckte ihn trotzdem. Skjoldr und Leifi waren verschwunden. Den König hatte er seit Wochen nicht gesehen. Und wenn der König tot war, dann war Sigurd die alleinige Macht in der Stadt, ja vermutlich Herr über alle Maegrin, denn die anderen Siedlungen waren, soweit Arvid wusste, verschwindend klein im Vergleich zu Anduil.
Während er nachdachte, was er als nächstes machen konnte, trugen ihn seine Füße unbewusst in Richtung seines Langhauses und ehe er sich versah, hatte er genug Arbeit für den Rest des Tages. Stundenlang hobelte er Balken für neue Hütten und für Boote. Denn wenn sie den kommenden Winter überleben würden, dann nur durch Fischfang. Die kargen Böden hier würden aufgrund der späten Saat nie genug Nahrung für sie alle bieten. Doch die monotone Arbeit hatte auch ihr Gutes. Im Laufe der Stunden fällte er eine Entscheidung, die seinen Untergang bedeuten konnte. Er musste mit dem König reden oder zumindest feststellen, ob er noch lebte, egal wie und egal was es kostete. Wenn der König tot war, dann war alles verloren. Arvids Pläne für die Zukunft der Hüter des Wissens, das Wissen der Maegrin selbst, ja schlussendlich, da war er sich sicher, sogar diese Welt. Aber der König musste noch leben. Hamar lebte noch, war unverletzt und vor allem trug er noch seinen Bart. Wenn ein König starb, rasierten die Axtbrüder ihre Bärte ab, um ihre Trauer zu zeigen und ihre Scham darüber, dass sie noch lebten. Also lebte der König noch. Arvid klammerte sich regelrecht an diesen Gedanken. Es gab nur ein Problem: Was war, wenn Hamar Teil der Verschwörung war?
XI
Der vom Regen aufgeweichte Boden rutschte immer wieder unter seinen Füßen weg, als Bryan versuchte, möglichst leise die Südseite des Hügels zu erklimmen. Ebenso wie die anderen sieben Krieger, die ihn begleiteten, alle dunkel gekleidet, mit kurzen Schwertern und Messern am Gürtel, war er sich der Wichtigkeit ihrer Aufgabe bewusst. Niemand durfte sie bemerken.
Die Palisade der Burg vor ihnen ragte drohend in den Nachthimmel. Nicht zum ersten Mal stellte er fest, dass die Nacht viel zu hell war für ein solches Unternehmen. Es war fast Vollmond und der Himmel war nahezu wolkenlos.
„Wenn auch nur eine Wache einen genaueren Blick in unsere Richtung wirft, sind wir verloren“, dachte Bryan. Aber sie hatten keine andere Wahl gehabt. Das Schicksal ihres Volkes hing von dem Gelingen dieses Unternehmens ab. Bryan machte sich keine Illusionen darüber, dass sein Anteil daran verschwindend gering war, aber immerhin waren er und seine sieben Krieger für diese wichtige Aufgabe ausgewählt worden und niemand sonst.
Inzwischen waren sie auf weniger als fünfzig Schritte an den Wall herangekommen. Per Handzeichen bedeutete Bryan seinen Männern stehen zu bleiben und legte sich dann auf den Boden. Langsam krochen sie den Hügel hinauf. So lange man sich langsam genug bewegte, wurde man nicht gesehen, das hatte ihnen Taliesin immer wieder eingebläut. Menschen sahen in der Nacht nicht Gegenstände und Menschen, sondern Unterschiede zwischen vorher und nachher. Zudem
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