Der Piratenlord
mochten, sich eine Großmutter zur Frau nehmen wollten.
„Und was ist, wenn man nicht hübsch ist?“ fragte eine junge Frau mit pockennarbigem Gesicht. „Was ist, wenn kein Mann uns haben möchte?“
Saras Miene verfinsterte sich. Zum Teufel mit Captain Horns
Angebot. Sein Plan war einfach nicht durchdacht genug. E hatte gesagt, dass die Männer den Frauen den Hof machen würden, doch wie sie die Männer kannte, würden sie um di| Zuneigung der hübschesten Frauen wetteifern und die anderen nicht beachten. Und was war dann? Wenn die hübschen sich ihre Ehemänner ausgesucht hatten, würde er den restlichen Männern Frauen aufzwingen, die diese nicht haben wollten? Und wie stand es um die Frauen, die zwei oder drei Kinder hatten? Erwartete er von seinen Piraten, dass sie eine ganze Familie übernahmen? Was war, wenn sie sich weigerten? Was würde dann aus den Kindern werden?
„Ich glaube, Captain Horn hat sich das alles nicht gründlich genug überlegt“, erklärte Sara. Er mochte das englische Klassensystem verdammen, doch er selbst wusste offenbar wenig über die Planung einer Gemeinschaft. „Ich muss mich wohl doch noch einmal mit unserem Captain über all diese Dinge unterhalten. Wenn er erkennt, wie verzwickt die Lage ist, wird ihm vielleicht auch klar werden, dass er von uns nicht erwarten kann, dass wir seinem Plan zustimmen.“
Einige nickten, doch manche murrten auch, dass sie lieber einen Piraten zum Ehemann hätten als einen Kolonialisten. Es war deutlich, dass die Frauen geteilter Meinung über die Wahl eines Ehemanns waren.
„Ich jedenfalls“, sagte Queenie, „möchte nicht an einen einzigen Mann gekettet werden, wenn ich eine ganze Insel voller Männer haben kann.“
Als die anderen in Gelächter ausbrachen, unterdrückte Sara ein Schmunzeln. Es würde interessant zu beobachten sein, wie Captain Horn mit einem unverbesserlichen, „gefallenen Täubchen“ wie Queenie fertig wurde. Aus einer Insel mit Piraten und Gefangenen eine Gemeinschaft zu machen, erwies sich vielleicht doch nicht als realisierbar, wie er sich das vorgestellt hatte. Und wenn ihm klar wurde, dass sich die Dinge nicht zu seiner Zufriedenheit entwickelten, kam er ja vielleicht zur Vernunft.
Obwohl sie da einige Zweifel hatte.
Gideon saß am Schreibtisch und schärfte seinen Säbel mit einem Wetzstein. Seine Hand rutschte aus, und er schnitt sich in den Finger. Fluchend wischte er sich das Blut an der Lederweste ab. Es war gefährlich, eine Klinge in der Hand zu halten, wenn er an Sara Willis dachte.
Missmutig legte er den Säbel auf seinen Schoß und blickte starr zur Tür. Er konnte es kaum glauben, dass er sich so sehr zu ihr hingezogen fühlte. Zum Teufel mit der Frau! Wenn es sie nicht gäbe, hätte er ein gutes Gefühl, die gefangenen Frauen von der Chastity auf sein Schiff gebracht zu haben. Die Frauen wären glücklich, er und seine Männer wären es, und alles wäre einfach wundervoll.
Wenn es Miss Willis nicht gäbe. Barnaby hatte Recht: Sie hätten diese Sara Willis auf der Chastity zurücklassen sollen. Dann hätte ihr Stiefbruder mit ihr machen können, was er wollte.
Fluchend warf Gideon den Wetzstein auf den Schreibtisch. Was für ein Mann war ihr Bruder eigentlich, dass er eine Frau wie sie mit einer Meute Gefangener in See stechen ließ? Den Earl of Blackmore sollte man auspeitschen. Gideon hätte niemals seine Schwester so etwas Dummes tun lassen.
Er stöhnte. Jetzt hatte sie ihn auch schon dazu gebracht, wie ein verdammter Engländer zu denken. Sie war nicht viel besser als diese Gefangenen, und sie verdiente auch keine bessere Behandlung als die anderen.
Außerdem war sie mit ihrer scharfen Zunge nicht wehrlos. Doch er würde sie schon unter die anderen einreihen, und wenn er ihr den Mund mit einem Knebel verschließen musste, um sie zum Schweigen zu bringen.
Ihren Mund. Oh, er konnte sich bessere Methoden vorstellen, um ihr den Mund zu verschließen . . . viel angenehmere. Kurz hatte er sich ausgemalt, wie es sich anfühlen würde, wenn er diese Lippen küsste. Sie würde willig ihren Mund öffnen und . ..
In diesem Moment klopfte es an der Tür. Er fuhr zusammen und schob stöhnend seine Gedanken an Miss Willis beiseite. „Herein“, rief er gereizt, als er den Wetzstein wieder zur Hand nahm.
Barnaby erschien mit einem seiner Männer, und beide stießen einen Mann vor sich her, den Gideon nicht kannte. „Den hier haben wir im Großboot gefunden, Captain.“ Barnaby schubste den Mann grob
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