Der Piratenlord
Offizier rührte sich nicht. „Captain?“
„Ja?“ erwiderte Gideon, ohne aufzublicken.
„Es ist fast Essenszeit. Was sollen wir mit der Versorgung der Frauen machen?“
Die Frauen. Sie waren in der letzten Stunde so ruhig gewesen, dass Gideon sie fast vergessen hatte. „Wir haben genügend Nahrungsmittel für sie mitgebracht. Lass Silas etwas für sie und die Kinder kochen.“
„Aber sollen wir sie zum Essen an Deck holen?“ fragt Barnaby.
Als Gideon aufschaute, bemerkte er, dass Hargraves ihrer Unterhaltung aufmerksam zuhörte. Vielleicht war der Mann doch nicht ganz ehrlich gewesen. Womöglich hatte er eine Liebste unter den Frauen. Nun, das war ein recht unschuldiger Grund, um an Bord zu kommen, und Gideon konnte ihm das nicht übel nehmen.
„Nein, noch nicht. Ich muss mit den Männern noch einige Dinge besprechen, ehe die Frauen an Deck gelassen werden." „Was für Dinge?“ fragte Barnaby.
Gideon sah seinen Ersten Offizier missbilligend an. „Das wirst du noch früh genug erfahren.“ Er zog seine Taschenuhr hervor. Eine Stunde war vergangen, seit er mit Miss Willis gesprochen hatte. Es wurde Zeit zu erfahren, ob die Frauen sein Angebot angenommen hatten oder nicht. „Aber bring Miss Willis zu mir. Sie und ich müssen unsere zuvor geführte Unterhaltung noch beenden.“
Als Barnaby ihn fragend anschaute, ging er darüber hinweg. Gideon hatte den anderen noch nichts von dem Angebot erzählt, das er den Frauen gemacht hatte. Er wollte sich nicht das Stöhnen und die Klagen der Männer anhören, ehe er sicher war, dass die Frauen einverstanden waren.
Nachdem Barnaby und sein Piratengefährte ihn mit Hargraves verlassen hatten, blickte Gideon nachdenklich vor sich hin. Er hatte nicht bedacht, wie schwierig es sein würde, den Männern zu eröffnen, dass er den Frauen die Wahl überlassen wolle. Welcher Teufel hatte ihn bloß geritten, so etwas überhaupt vorzuschlagen? Zumal die Frauen solche Vorrechte nicht einmal erwartet hatten. In New South Wales hätten sie auch keine Wahlmöglichkeiten gehabt, oder nur sehr geringfügige.
Er öffnete eine Schreibtischschublade und tastete darin herum, bis er eine wenig benutzte Taschenflasche mit Rum fand, die er dort aufbewahrte, um einen Fieberanfall zu behandeln. Selten trank er hochprozentigen Alkohol, doch heute war es berechtigt. Er nahm einen Schluck, hustete und trank noch einen. Kurz darauf fühlte er sich schon gelassener.
Es war doch gut, dass er den Frauen die Wahl überließ. Schließlich wollte er, dass sie glücklich waren. Denn dann würden sie tun, was von ihnen verlangt wurde. Die Frauen sollten auf Atlantis nicht nur die sexuellen Bedürfnisse der Männer befriedigen, sondern auch andere Aufgaben erledigen - Kochen, Weben und Gartenarbeit, Tätigkeiten, von denen seine Männer keine Ahnung hatten. Und wenn die Frauen durch ein wenig mehr Freiheit zugänglicher wurden, wollte er ihnen die geben. So würde er seinen Männern das erklären. Dann verstanden sie es sicherlich. Er selber hätte es lieber, dass die Frau, die er sich aussuchte, ihn aus freiem Willen heiratete.
Es klopfte leicht an der Tür. Er legte die Rumflasche in die Schublade zurück, lehnte sich in seinem Sitz zurück und rief: „Herein.“
Miss Willis trat ein. Als sie zuvor seine Kajüte verlassen hatte, war sie wütend gewesen, doch nun wirkte sie geradezu unterwürfig und ängstlich. Seltsamerweise mochte er so ein Verhalten nicht an ihr, und deshalb sprach er auch schärfer als nötig. „Nun? Wie haben sich die Frauen entschieden?“
Sie schien seine Frage nicht zu hören. „Ich sah, dass sie ein Mitglied der Besatzung der Chastity gefangen genommen haben. Was haben Sie mit ihm vor?“
Aus unerfindlichem Grund ärgerte ihn ihr Interesse an einem einfachen englischen Matrosen. „Ertränken natürlich.“ Als er ihre entsetzte Miene sah, lenkte er sofort ein: „Er schließt sich meiner Besatzung an. Mehr nicht.“ Ihre Gesichtszüge entspannten sich vor Erleichterung. Das missfiel ihm zutiefst. ,,Warum wollen Sie das wissen?“
Sie senkte den Blick. „Es wäre mir nicht recht, wenn irgendjemandem von der Chastity Leid zugefügt würde.“ „Wie nett von Ihnen. “ Einen Moment lang spielte er mit dem
Gedanken, dass Hargraves sich vielleicht wegen Miss Willis an Bord geschlichen hatte. Dann wies er diesen Gedanken jedoch als absurd zurück. Britische Seeleute hüteten sich davor, sich in Frauen zu verlieben, die nicht von ihrem
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