Der Piratenlord
weil er das Deck erst dann weiter mit Sand reinigen konnte, wenn es leer war. Ihm entging nicht, wie der Captain Miss Willis anschaute. Sie schien gar nicht zu merken, dass er mit dem Blick jeder ihrer Bewegungen folgte. Doch anderen fiel es auf.
„Der Captain kann sagen, was er will - ich bin überzeugt, dass er das Mädchen für sich haben möchte“, sagte Silas, der einige Schritte entfernt von Petey stand.
Verstohlen schaute er zu Barnaby hinüber, der skeptisch aussah.
„Da bin ich gar nicht so sicher“, meinte Barnaby. „Sie ist eine englische Adlige, und du weißt doch, was er von denen hält.“
„Hast du nicht bemerkt, wie er sie angesehen hat? Als hätte er zwei Wochen nichts zu essen bekommen, und sie wäre ein vorzügliches Stück Rindfleisch.“ Silas klopfte sich mit dem Pfeifenkopf gegen die Zähne. „Ja, er will sie haben. Der Trick besteht darin, sie dazu zu bringen, dass sie sich ihn aussucht.“
„Das dürfte nicht so schwierig sein. Jede Frau, die Gideon haben möchte, bekommt er auch. Wenn er sie wirklich haben will, wird er sie noch vor dem Ende dieser Woche so weit haben, dass sie ihn bittet, sie zu heiraten. Denk an meine Worte.“-
Petey schaute die beiden Männer entsetzt an. Es war eine Sache, zu versuchen, Miss Willis davor zu schützen, einen der anderen Piraten zu heiraten. Doch dem Captain Horn in die Quere zu kommen war etwas ganz anderes. Da konnte er ja den Kopf auch ebenso gut in den Rachen eines Haifischs stecken!
Plötzlich schien Barnaby zu spüren, dass Petey ihn ansah. Er warf ihm einen scharfen Blick zu. „Was ist los, Bursche? Ab mit dir! Mach deine Arbeit!“
„Aye, aye, Sir“, murmelte Petey. Er ging zu der Stelle, wo er den Eimer stehen gelassen hatte und nahm den Stein auf, den die Seeleute „Gebetbuch“ nannten. Es war ein handflächengroßer, glatter Stein, mit dem die schwer erreichbaren Stellen an Deck gereinigt wurden. Doch als er sich auf die Knie fallen ließ und die Teakplanken zu schrubben begann, dachte er wieder an Miss Willis. Er musste eine Möglichkeit finden, mit ihr zu sprechen. Dann würde er sie warnen, vorsichtig mit dem Captain umzugehen.
Doch wenn sie nicht äußerst vorsichtig war, wäre Petey sicherlich irgendwann gezwungen, zu drastischen Mitteln zu greifen, um sie vor dem Piratenlord zu schützen. Und es reizte ihn keineswegs, sich auf einen Kampf mit diesem Ungeheuer von einem amerikanischen Captain einzulassen.
8. KAPITEL
Die Sonne versank blutrot am Horizont. Sara lehnte an der Reling und wünschte, ein Schiff würde sie holen und nach England bringen und damit in die Sicherheit ihres Heims. Sie hasste es, zugeben zu müssen, dass Jordan doch Recht gehabt hatte. Diese Reise hatte von Anfang an unter einem schlechten Stern gestanden.
Und dieser elende Captain Horn machte alles nur noch schlimmer. Oh, wie musste er über sie gelacht haben, nachdem sie seine Kajüte verlassen hatte, wo sie zuvor seinen Küssen nachgegeben hatte! Wie musste er sich an ihrer Schwäche geweidet haben! Statt mit ihm als Vertreterin der Frauen zu reden, hatte sie zugelassen, dass er sich ihr gegenüber skandalöse Freiheiten herausgenommen hatte. Er hatte sie sehr wirkungsvoll abgelenkt und zweifellos für seine eigenen schändlichen Zwecke benutzt.
Mit ehrlicher Anziehungskraft hatte das sicherlich nichts zu tun. Das hatte er ihr ja deutlich zu verstehen gegeben, erst in seiner Kajüte und dann später, als er sie vor seinen Männern zurückgewiesen hatte, als ob sie eine Art. . . Beutestück der Piraten wäre, das er nach seinem Belieben verteilen konnte. Allein die Erinnerung daran ließ ihre Wangen glühen. Zuvor hatte er sie dahinschmelzen lassen und ihr dann später angeboten, sie dem erstbesten Mann zu überlassen, der sie haben wollte. Dieser Schuft! Dieser Halunke! Oh, wie sie ihn hasste.
„Miss Willis“, sagte jemand hinter ihr. Sie drehte sich um und sah, dass Louisa sich den Weg vorbei an den Frauen bahnte, die auf dem Deck herumsaßen und ihr Abendessen zu sich nahmen. Mit einer Schale Rindfleisch-Eintopf und Schiffszwieback in der einen Hand und einem Becher Wasser, dem ein wenig Rum zugesetzt war, kam Louisa zu ihr.
„Sie sollten wirklich etwas essen“, sagte Louisa mit ihrer gewohnten Gouvernantenstimme und hielt ihr den Teller entgegen. „Sie müssen doch bei Kräften bleiben.“
„Wozu?“ Sara seufzte und nahm nur den Becher. „Es hat keinen Sinn, sich gegen sie zu stellen. Sie machen mit uns, was sie wollen, ganz
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