Der Piratenlord
Sicherlich. Er hat kein Recht dazu, uns gegen unseren Willen festzuhalten.“
Barnaby lehnte sich zurück, als er einen langen Zug aus seiner Zigarre nahm. „Schauen Sie sich um, Miss Willis. Sieht es so aus, als hätten die anderen Frauen etwas dagegen, dass man sie von diesem anderen Schiff befreit hat?“
Sara drehte sich um und betrachtete ihre Gefährtinnen. Der Schein der Laternen, die jemand angezündet hatte, fiel auf Frauen und Männer, die miteinander lachten und sprachen. Manche versuchten, die Männer einzuschätzen, manche verdeckt, andere mutiger und offener. Unter dem schützenden Überhang der Takelage legte ein Pirat den Arm um eine junge Gefangene, die das nicht nur zuließ, sondern ihn auch scheu anlächelte. Selbst der älteren Frau, die heute Nachmittag über ihre geringen Chancen, einen Ehemann zu finden, gesprochen hatte, wurde von einem weißhaarigen Seemann der Hof gemacht, einem der wenigen älteren Männer auf Captain Horns Schiff.
Alle Männer schwirrten um die Frauen herum wie Bienen um ihren Stock. Obwohl sie sich nicht besonders aggressiv oder grob verhielten, war die Art, in der sie die Frauen umgarnten, doch auffällig arrogant, als seien sie sicher, von ihnen erhört zu werden.
Sie seufzte. „Ich denke, dass die Frauen nicht wirklich ärgerlich sind über ihre Lage.“
„Nicht wirklich ärgerlich?“ Er lachte. „Ich würde sagen, sie wirken recht zufrieden.“
Plötzlich war auf der anderen Seite des Decks ein lauter Schlag zu hören, und eine schrille, hohe Stimme schrie: „Rühr mich nicht an, du dreckiger Pirat! Noch muss ich mich von dir nicht anfassen lassen!“
Sara und Barnaby sahen einen Mann, der sich seine gerötete Wange hielt, während eine hübsche junge Frau wütend davonstürmte.
„Nicht alle scheinen zufrieden zu sein, Sir.“ Der Wind blies Sara eine Haarsträhne ins Gesicht, und sie schob sie unwillig zurück. „Einige haben sich lediglich ihrem Schicksal ergeben. Sie wissen, dass sie keine Wahl haben. Da sie daran gewöhnt sind, alles hinzunehmen, was ihnen zugemutet wird, werden sie das Beste daraus machen. Doch ich hatte ehrlich gehofft, dass es ihnen besser ergehen würde.“
Nach diesen Worten schritt sie rasch davon, weil sie solche Gespräche nicht mehr ertragen konnte. Barnaby war kein bisschen anders als sein Herr. Er sah einfach nicht die grausame Wahrheit der Lage. Sie konnte sagen, was sie wollte, und doch würden beide Männer weiterhin glauben, dass sie den Frauen einen großen Gefallen damit getan hätten, sie zu sich aufs Schiff geholt zu haben.
Da sie sich noch erbärmlicher fühlte als zuvor, ging sie zur Luke. Plötzlich trat ein Seemann aus dem Schatten heraus und versperrte ihr den Weg. Ihr jähes Erschrecken ging in Erleichterung über, als sie Petey erkannte.
„Kommen Sie, Miss Willis, wir müssen miteinander sprechen“, flüsterte er, während er sie zur Luke zog.
„Das müssen wir wirklich.“ Sie folgte ihm unter Deck und sah sich dabei vorsichtig um, ob auch ja niemand sie beobachtete. Sie wartete, bis sie zum Zwischendeck hinuntergeklettert waren, ehe sie die Frage stellte, die sie schon geplagt hatte, seit sie ihn aus der Kajüte des Captains hatte herauskommen sehen. „Ich vermute, dass Sie sich an Bord geschlichen haben, als wir herübergebracht wurden, doch warum hat man Sie nicht getötet?“
„Der Captain hat gesagt, dass er Verwendung für mich hat.“ Petey zündete die Laterne im Zwischendeck an, und als er sich Sara wieder zuwandte, war seihe grimmige Miene in dem dämmrigen gelblichen Licht erkennbar. „Sie haben mich zum Besatzungsmitglied gemacht, doch das heißt nicht, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Viele Augen beobachten mich. Also sollten wir vorsichtig sein.“
„Sie haben sicherlich gehört, was Captain Horn gesagt hat. Dass wir uns Ehemänner aussuchen müssen.“
Er nickte finster. „Ich habe es gehört. Und ich habe auch schon einen Plan. Wenn Sie und die Frauen ihre Wahl bekannt geben, sollten Sie mich auswählen.“
Die Vorstellung überraschte sie. Petey heiraten? Obwohl sie wusste, dass er seinen Vorschlag nur um Ihres Schutzes willen machte, wusste sie nicht, ob er ihr gefiel. Lebenslänglich auf einer einsamen Insel zu verbringen war schon schlimm genug, aber lebenslänglich mit einem Mann zu leben, den sie kaum kannte . . .
Andererseits kannte sie ja auch keinen der anderen Männer. Doch vielleicht gab es einen, der sie um ihrer selbst willen heiraten wollte und
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