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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klester Cavalcanti
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Die Erinnerung an ihr offenes Lächeln und ihren strahlenden Blick ließ ihn schließlich doch einschlafen.
    Schon mehr als zwei Wochen war es her, dass sie aus dem Urwald zurückgekehrt waren, wo sie Genoino gefangen genommen hatten. Noch immer wohnte er in der Pension. Für die gute Arbeit, die er geleistet hatte, bezahlte Marra ihm nun zusätzlich auch die Unterkunft. Xambioá war das reinste Chaos. Wegen der Soldaten, von denen immer mehr in die Stadt strömten – geschätzt waren an die viertausend Soldaten gegen die Guerilla im Einsatz –, fehlte es an allem: Essen, Trinken, Zigaretten, Hygieneartikel; alle höherwertigen Dinge gingen an die Soldaten des Heeres, der Marine oder der Luftwaffe. Den etwas mehr als dreitausend Einwohnern blieb nur wenig.
    Júlio wurde regelmäßig für verschiedene Arbeiten beim Militär eingesetzt. Bäume zu fällen für die Erweiterung des Militärlagers um einen zusätzlichen Landeplatz mochte er gar nicht. Er hatte schon Schwielen an den Händen von der stundenlangen Arbeit mit der Axt. Nicht selten half er auch beim Bau der Holzbaracken, in denen Krankenstationen, Unterkünfte und Schlafstätten für die Soldaten eingerichtet wurden. Die Arbeit gefiel ihm nicht, aber es war allemal besser, in der Stadt zu sein, als in den Wäldern Jagd auf Kommunisten zu machen. Das letzte, was er wollte, war, auf einen Menschen zu schießen.
    Man sprach in Xambioá über nichts anderes als diesen kopfüber am Baum hängenden Kommunisten – erst in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages wurde der Tote abgehängt, als die Geier bereits begonnen hatten, sich für ihn zu interessieren. Das Ereignis hatte Angst unter den Leuten verbreitet. Alle fürchteten die Brutalität der Soldaten. Und genau das war die Absicht der Kommandanten, erklärte Carlos Marra auf der Polizeistation.
    »Die Leute hier müssen begreifen, dass es jedem, der den Kommunisten hilft, so ergehen wird«, sagte er.
    »Wie meinen Sie das, Delegado? Die Leute aus der Stadt dürfen getötet werden, nur weil einer die ›Paulistas‹ unterstützt hat?«, fragte Forel, dessen Familie aus Xambioá stammte.
    »Natürlich mein Junge. Wer den Kommunisten hilft, ist gegen uns. Und wer gegen uns ist, wird behandelt, als wäre er selbst Kommunist. Nur so werden wir mit diesem Dreck aufräumen können.«
    Júlio hörte sich all das schweigend an, voller Furcht vor den Worten von Carlos Marra. Ihm schwante, dass noch viel Böses in dieser Gegend passieren würde. Am Abend kündigte der Offizier an, dass er eine Runde Techtelmechtel seines Kommandos bezahlen würde. Mit »Techtelmechtel« meinte Marra den Besuch seiner Leute in Vietnam , dem Rotlichtviertel. Entlang einer unbefestigten Straße standen dort an die zehn von bunten Glühbirnen beleuchtete Holzhütten, in denen knapp bekleidete, dafür umso stärker geschminkte Frauen ihre Dienste anboten. Júlio war der einzige aus der Gruppe, der noch nicht dort gewesen war.
    »Es gibt dort jede Art von Frau«, sagte der Kommissar, um den Jungen zu animieren.
    »Ich will nicht. Ich bleibe lieber hier und bewache die Polizeistation«, antwortete er.
    »Das sagst du immer. Heute kommst du nicht damit durch. Basta!«, befahl Carlos Marra.
    Es war schon das dritte oder vierte Mal, dass Marra Júlio nach Vietnam einlud. Der Junge war jedes Mal in der Polizeistation geblieben. Diesmal gab er dem Befehl des Offiziers nach, aber auch seiner Neugier auf das, was in diesen Häusern hinter den stets offenen, nur mit Vorhängen versehenen Türen passierte. Sie gingen. Júlio, Marra, Forel und Emanuel. Es war viel Leben auf der Straße. Stolz trugen die Soldaten ihre Uniformen, sie schienen den Mädchen zu gefallen, die winkten und ihnen zu lächelten. In einer der Türen sah Júlio ein Mädchen mit heller Haut und hellen Haaren, das ihn anlächelte. Sie trug einen extrem kurzen, schwarzen Rock, unter dem ihre kräftigen Schenkel zu sehen waren, und sonst nichts als einen roten Büstenhalter. Marra bemerkte den schnellen Blickwechsel und fragte, ob Júlio das Mädchen haben wolle. »Nein, Delegado. Ich bin nur mitgekommen, um zu sehen, wie es hier ist«, antwortete Júlio, während Emanuel und Forel bereits mit zwei Frauen, die auf ihn alt und hässlich wirkten, in einem der Häuser verschwanden. Er schaute sich um, das Mädchen schaute ihm noch immer lächelnd hinterher.
    »Du willst dieses Mädchen, stimmts? Los, mach schon. Sie gehört dir.«
    »Nein, Delegado. Ich will gar nichts. Lassen Sie

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