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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klester Cavalcanti
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gaben die Soldaten Júlio den Schlüssel zurück.
    »Sag dem Delegado, dass wir morgen Abend zurückkommen, um mit dem Verhör weiterzumachen«, sagte einer von ihnen.
    Júlio wartete, bis die Militärs fort waren, und ging dann zu dem Gefangenen, um zu sehen, wie es ihm ging. Lourival lag am Boden der Zelle, mit nichts als einer Unterhose bekleidet, übersät mit Schnitten und Blutergüssen an den Beinen und im Gesicht. Als er die Zellentür quietschen hörte, stöhnte er:
    »Ich sage doch, dass ich nichts weiß. Ich habe niemandem geholfen.«
    »Was haben sie mit Ihnen gemacht?«, fragte der Junge.
    »Sie haben gesagt, dass sie meinen Körper in Stücke reißen, wenn ich ihnen nicht sage, wo sich die ›Paulistas‹ verstecken. Aber ich weiß es doch nicht. Ich weiß es nicht.«
    Schnell sprach es sich in Xambioá herum, dass der Bootsmann festgenommen worden war. Lourival Moura lebte und arbeitete schon lange hier und war als besonnener Mann bekannt. Am Tag nach seiner Festnahme erschienen vier Burschen, die mit ihm zusammenarbeiteten, auf der Polizeistation. Sie wollten sehen, wie es ihm ging, aber Marra ließ sie nicht zu ihm. Nur Familienangehörige dürften den Gefangenen sehen. Knapp eine Stunde später erschien Lourivals Sohn, ein vierzehnjähriger Junge, schlank und mit brauner Haut. Er hatte eine Hängematte dabei und einen Topf mit Reis, Maniokmehl, Bohnen und gebratenem Fleisch.
    »Wofür ist das?«, fragte der Offizier, ohne von seinem Stuhl aufzustehen.
    »Meine Mutter hat gesagt, ich soll das meinem Vater bringen«, sagte der Junge und schaute zu Boden.
    »Stell’ es ab, ich gebe es ihm«, sagte Marra und deutete auf den Tisch.
    »Meine Mutter hat gesagt, ich soll es meinem Vater persönlich geben und sehen, wie es ihm geht.«
    »Mein Junge, dein Vater ist verletzt. Nichts Schlimmes, aber ich kann nicht erlauben, dass ein Kind zu ihm in die Zelle geht. Lass die Sachen hier, ich lasse sie gleich deinem Vater bringen«, sagte der Offizier und winkte Júlio herbei, um Hängematte und Topf in Empfang zu nehmen.
    »Aber meine Mutter hat gesagt, ich soll nicht zurückkommen, ohne mit meinem Vater gesprochen zu haben.«
    »Das geht heute nicht. Sag deiner Mutter, dass du morgen mit ihm sprechen kannst. Wenn sie mitkommen will, könnt ihr beide zu ihm.«
    Seit der Gefangene auf der Polizeistation war, durfte Júlio wieder in der Pension übernachten, denn Marra hatte zwei Soldaten angefordert, die Lourival nachts bewachten. In der Nacht des 20. Mai schreckte der Junge auf, er musste sofort zu dem Gefangenen. Er war überzeugt, dass der Mann nichts mit der Guerilla zu tun hatte. Er irrte sich, denn der Bootsmann hatte, wie er später erfuhr, tatsächlich die Kommunisten unterstützt. Gegen halb acht betrat Júlio die Polizeistation. Zwei Soldaten unterhielten sich, sie warteten auf Carlos Marra, der um acht kommen wollte. Júlio sagten sie, der Gefangene habe die Nacht gut verbracht. Er ging zur Zelle und sah Lourival zusammengekauert in einer Ecke, eingerollt in die Hängematte, die ihm sein Sohn gebracht hatte. Es sah so aus, als sei er nicht weiter gefoltert worden. Kurz vor Mittag erschien erneut der Sohn auf der Station, gemeinsam mit seiner Mutter. Der Offizier empfing sie.
    »Sie haben gesagt, dass wir meinen Mann heute sehen können«, sagte die Frau.
    »Das ist richtig. Aber ich habe vergessen, dass heute Samstag ist. Bitte entschuldigen Sie. Aber Besuche auf der Polizeistation sind nur Montag bis Freitag gestattet.«
    »Delegado, Sie haben meinem Sohn gesagt, dass wir heute mit meinem Mann sprechen können…«
    »Ich weiß. Und ich habe Sie auch schon um Entschuldigung gebeten. Ich darf am Wochenende keinen Besuch zu den Gefangenen lassen. Sie müssen verstehen… Das ist Vorschrift. Kommen Sie Montag wieder, und ich verspreche Ihnen, dass Sie mit Lourival sprechen können.«
    »Kann ich das Essen hierlassen, das ich ihm mitgebracht habe?«
    »Selbstverständlich. Ich kümmere mich darum, dass er es bekommt.«
    »Montag früh sind wir wieder hier, ganz bestimmt«, sagte die Frau des Bootsmanns, als sie die Polizeistation wieder verließ.
    Sie sollte ihren Mann nie mehr lebend sehen.
    In dieser Nacht gingen Marra und seine Freunde wieder zu den Frauen in Vietnam . Júlio war froh, dass er in der Station bleiben und den Gefangenen bewachen sollte. Er hatte sich noch nicht verziehen, dass er Ritinha betrogen hatte, und wollte nie wieder etwas mit diesen Frauen zu tun haben. Wenn er alleine in der

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