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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klester Cavalcanti
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hantieren. Dem Lärm und den Düften aus der Pfanne nach erriet er, dass der Onkel Spiegeleier machte. Er ging pinkeln und dachte darüber nach, dass er lieber doch kein Mörder werden wollte. Die Verlockung, reich zu werden, war groß, das Abenteuer machte ihn neugierig, aber die Last, jemanden einfach nur für Geld umgebracht zu haben, wollte er sich lieber doch nicht aufbürden. Über das Waschbecken gebeugt wusch er sein Gesicht, schöpfte Wasser mit den Händen und ließ es über seinen Kopf rinnen. Er aß Brot mit Ei und trank eine Tasse Kaffee. Ohne ein Wort zu sagen.
    »Gestern Abend warst du noch so gut gelaunt und begeistert von unserer Arbeit. Was ist los?«, fragte Cícero.
    »Ich weiß nicht, Onkel. Ich glaube, es ist doch nichts für mich«, antwortete Júlio.
    »Hör auf, dir zu viele Gedanken darüber zu machen, Julão. Wir haben es gestern durchgesprochen und es war doch alles geklärt.«
    »Ich weiß. Aber ich will einfach keine Menschen töten. Zwei habe ich schon umgebracht und bis heute verkrampft sich mein Magen, wenn ich nur daran denke.«
    »Das ist ganz normal. Mit der Zeit gewöhnst du dich an die Arbeit.«
    »Ich weiß nicht, Onkel, wirklich nicht.«
    Cícero stand auf, ging ins Wohnzimmer und rief den Neffen zu sich. Sie setzten sich auf das schwarz-rote Sofa. Das darauffolgende Gespräch würde Júlio nie mehr vergessen. Cícero beschwor ihn, wie schon einmal, dass diese Art von Arbeit nicht böse sei. Sie sei zwar Sünde, doch habe nicht sogar der Pfarrer zu Júlio gesagt, Gott vergebe alles? Zehn Ave-Marias und zwanzig Vaterunser, und seine Seele wäre wieder rein.
    »Der Kerl stirbt sowieso. Wenn wir den Auftrag ablehnen, übernimmt ihn ein anderer. Es herrscht kein Mangel an Leuten, die einem armen Teufel für fünfhundert Cruzeiros oder mehr eine Kugel in den Kopf jagen. Denk nach, Julão. Alles, was ich besitze, habe ich mir als Pistoleiro verdient. Du redest doch die ganze Zeit davon, wie gerne du ein Haus wie meines hättest, mit Radio, Kühlschrank, Strom. Und gutes Essen. Es liegt in deiner Hand.«
    »Du arbeitest doch noch bei der Polizei, oder?«
    »Ja, aber der Sold bei der Polizei bringt nichts. Alles, was ich habe, habe ich mir nur leisten können, weil ich nebenher Aufträge übernehme.«
    Júlio hatte unentwegt das Poster mit dem Bild Unserer Lieben Frau Aparecida angestarrt, das mit einem Nagel an der Wand befestigt war. Er glaubte, die Heilige sähe es gar nicht gern, wenn er in das Geschäft seines Onkels einstieg. Wenn Gott allerdings diese Sünde verzieh? Er beschloss, den Vorschlag doch anzunehmen. Und falls er es irgendwann bereuen sollte, konnte er immer noch zu seinen Eltern zurückkehren und ein geruhsames Leben an den Ufern des Tocantins führen.
    Am Abend hörte Júlio stundenlang zu, wie ihm der Onkel die Arbeit eines Pistoleiros erklärte. Sie saßen ans Sofa gelehnt auf dem Holzboden, das batteriebetriebene Radio lief, und der Junge hing dem Onkel so an den Lippen, dass er die Musik gar nicht recht wahrnahm. Nur an ein Lied erinnert er sich. Er hörte es zum ersten Mal, und es würde sich für immer in sein Leben einschreiben. Der Refrain lautete: »Eu vou tirar você desse lugar. Eu vou levar você pra ficar comigo.« – Ich hol dich hier raus, ich hol dich zu mir. – Als er den Namen des Sängers wissen wollte, sagte Cícero, es sei Odair José, der beste Sänger Brasiliens. Dann sollte Júlio sich mit einer Liste vertraut machen, die Cícero den Ehrenkodex der Pistoleiros nannte.
    »In ihr ist aufgelistet, was du niemals tun darfst, unter keinen Umständen. Selbst wenn man dir viel Geld dafür bietet«, sagte Cícero.
    In weniger als einer Stunde konnte Júlio die fünf Verbote auswendig:
    TÖTE KEINE SCHWANGERE
    »Es sei denn, du weißt nicht, dass sie schwanger ist«, betonte Cícero.
    RAUBE DAS OPFER NICHT AUS
    »Wir sind Mörder, keine Räuber.«
    TÖTE KEINE ANDEREN PISTOLEIROS
    »Wir müssen unsere Kollegen achten.«
    TÖTE NICHT AUF KOMMISSION
    »Der Tod wartet nicht.«
    TÖTE NIEMANDEM IM SCHLAF
    »Das wäre feige.«
    Dann gab Cícero ihm noch ein paar Ratschläge, die er für eine erfolgreiche Karriere als besonders wichtig erachtete. Júlio solle zunächst auf ein Motorrad sparen. Es sei das Fahrzeug für einen Pistoleiro, wendig, schnell, sparsam. Außerdem würde ein Helm sein Gesicht vor möglichen Zeugen verbergen. Cícero hatte zwar selbst auch noch keines, aber das lag daran, dass er all sein Geld in das Boot mit dem Außenbordmotor

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