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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klester Cavalcanti
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1985, den er als Bezahlung für einen Auftrag erhalten hatte. Und er hatte sogar Hunderttausend Reais beiseite gelegt, um ein Grundstück zu kaufen und ein Haus zu bauen, weit weg von Maranhão, irgendwo, wo er mit Frau und Kindern in Frieden leben konnte. Aber wog das auf, dass er von seinen einundfünfzig Lebensjahren fünfunddreißig ausschließlich als Auftragsmörder gearbeitet und damit viel Leid verursacht hatte? Wenn er gewusst hätte, dass es so kommen würde, hätte er nie auf den Onkel gehört.
    Er legte die Füße auf den Couchtisch und lehnte sich zurück. Dann blätterte er im Heft, Seite für Seite. Er hatte sich nicht vorstellen können, dass es ihm so schwerfallen würde herauszufinden, wie viele Menschen er hingerichtet hatte. Beim Lesen der Namen wanderte sein Geist nach und nach zu Tag und Ort jeder Tat. In einigen Fällen konnte er sich an jede noch so kleine Einzelheit erinnern. Die Kleidung, die der Unglückliche in seiner Todesstunde getragen hatte, ob es ein heißer Tag gewesen war oder ein kalter, was er gegessen hatte, bevor er den Auftrag erledigte. Manchmal waren es die Umstände des Verbrechens oder der Tatort, der sie unvergesslich machte. So als er den Namen João Baiano las. In Klammern hinter dem Namen war in unbeholfenen Druckbuchstaben die körperliche Erscheinung des Kerls beschrieben: schwarz, kräftig, 1,70m, ein Goldzahn in der oberen Zahnreihe links.
    João Baiano war der erste von vier Männern gewesen, die Júlio in der berühmten Goldmine Serra Pelada im südlichen Pará getötet hatte.
    Anfang der achtziger Jahre waren jede Menge Leute aus ganz Brasilien nach Serra Pelada zogen, in der Hoffnung, auf Gold zu stoßen und reich zu werden. Goldfunde hatten die Gegend damals zu einer Art El Dorado werden lassen, und an die zwanzigtausend Männer durchwühlten den Gebirgszug Serra dos Carajás. Der Exodus war so gewaltig, dass gut ein Jahr später – im September 1981 – bereits achtzigtausend Goldschürfer, die so genannten Garimpeiros, in Serra Pelada lebten und arbeiteten. Nur wenige Städte in Pará hatten überhaupt so viele Einwohner. Cícero wusste davon und er wusste noch mehr. Ihm zufolge schürten die Gier und der Ehrgeiz dieser Männer haufenweise Probleme, die nur mit Kugeln gelöst werden konnten.
    »Eine gute Gelegenheit, Geld zu verdienen, Julão«, sagte er zu seinem Neffen. Es war im März 1981.
    »Glaubst du wirklich?«, antwortete Júlio. Er war sechsundzwanzig Jahre alt und wohnte nach wie vor beim Onkel, der ihn immer noch wie einen kleinen Jungen behandelte.
    »Na klar. Und wir würden mit Gold bezahlt. Hast du dir schon mal überlegt, wie das wäre, mit den Taschen voller Gold nach Hause zu kommen?«
    »So einfach ist das?«
    »Erinnerst du dich, wie ich letzte Woche zu einem Auftrag gefahren bin? Ich war in Serra Pelada und habe einen Kerl getötet, der einem anderen Gold gestohlen hatte. So was kommt da vor.«
    »Und wie viel hast du verdient?«
    Cícero stand vom Sofa auf, ging in sein Zimmer und kam, die linke Hand zur Faust geschlossen, wieder.
    »Das war meine Bezahlung«, sagte er und machte die Hand auf. Ein Goldklumpen lag darin, etwas größer als ein Maiskorn.
    »Was? Du hast für dieses lächerliche Klümpchen Gold gemordet…?« Júlio konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
    »Sei nicht so blöd, Julão. Das sind elf Gramm Gold. Weißt du, was die wert sind?«
    »Nein. Ich weiß, dass Gold viel wert ist, aber so ein Klümpchen…«, antwortete er immer noch grinsend.
    »Natürlich weißt du es nicht. Es ist 9900 Cruzeiros wert, Julão. Neuntausendneunhundert.« Cícero hielt Júlio den Klumpen unter die Nase.
    Er war beeindruckt – damals lag der Mindestlohn bei ungefähr achttausendfünfhundert Cruzeiros, und ein Gramm Gold wurde in Serra Pelada für neunhundert Cruzeiros verkauft. Vor zwei Monaten hatte er sechstausend Cruzeiros für die Hinrichtung eines Landarbeiters in Esperantina, Tocantins, erhalten, im Auftrag eines Grundbesitzers, dem es nicht passte, dass sich eine Gruppe Landarbeiter auf seinem Boden niederließ. Einen weiteren Taugenichts umzubringen und dafür mit Gold bezahlt zu werden, schien keine schlechte Idee. Ein Goldklumpen, wie klein er auch sein mochte, wäre ein großer Schritt auf dem Weg zum Reichtum. Also erklärte er sich einverstanden, er würde nach Serra Pelada fahren. Aber erst ein knappes Jahr später, im Februar 1982, hatte Cícero drei Aufträge in der Gegend in der Tasche. Sie machten sich auf die Reise

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