Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders
Ein Polizist kam und fuhr ihm mit den Händen über Beine, Bauch, Rücken und Arme, dann befahl er ihm, seinen Rucksack zu öffnen. Er gehorchte und seine Blicke suchten den Onkel, der von einem anderen Polizist angehalten worden war. Wenn die Waffen gefunden würden, bekämen sie gewiss Probleme. Fest kniff er die Augen zusammen und betete zum Himmel, dass Gott sie aus diesem Schlamassel befreie. Als er die Augen wieder öffnete, sah er einen dürren Mann mit faltigem Gesicht auf den Polizisten zukommen, der gerade dabei war, Cícero zu durchsuchen. Der Mann begrüßte den Polizisten mit einem Lächeln und schüttelte ihm die Hand. Im selben Augenblick wurde Cícero durchgewinkt, ohne dass er seinen Rucksack hatte öffnen müssen. Júlio fand seine Gebete erhört.
»Hallo Armando. Wie war die Fahrt?«, fragte der Kerl mit dem Faltengesicht Cícero.
Júlio war klar, dass »Armando«, der Name von Júlios Großvater und Cíceros Vater, Cíceros hiesiger Deckname sein musste.
»Wie immer katastrophal. Aber was zählt, ist, dass wir heil angekommen sind«, antwortete Cícero.
»Ist das der Kerl, von dem du mir erzählt hast?«, fuhr der Mann fort und deutete mit dem Kinn zu Júlio hinüber.
»Ja, der Kerl ist gut.«
»Und wie schimpfst du dich, Junge?« Der Kerl streckte ihm die Hand entgegen.
»Jorge. Ich heiße Jorge«, sagte Júlio gepresst. Er verwendete den Namen seines Vaters als Pseudonym.
»Freut mich. Du kannst Paraíba zu mir sagen. Eigentlich heiße ich Daniel, aber alle nennen mich Paraíba. Gehen wir, der Boss wartet auf euch.«
Paraíbas Boss war in der Mine unter dem Namen Índio bekannt. Später erfuhr Júlio, dass er in Wirklichkeit José Mariano 1 hieß und sein Spitzname kein Zufall war. Als Halbblutindio in den Wäldern von Pará geboren, war er einer der ersten gewesen, der im November 1979 nach Serra Pelada kam. Genau wusste es niemand, aber in den schlammigen Straßen der Siedlung erzählte man sich, dass Índio in wenig mehr als zwei Jahren bereits zweihundert Kilo Gold gefunden hatte, damals etwa 3,6 Millionen Dollar wert. Er hatte kräftige Gesichtszüge, schmale Augen und sehr glatte schwarze Haare, trug einen feinen Schnurrbart und einen schütteren Ziegenbart, der sein spitzes Kinn nur spärlich bedeckte. Er war neunundzwanzig Jahre alt und lebte in einer heruntergekommenen Holzhütte mit hartgetretenem Sandboden und Plastikplane. Júlio hätte nicht gedacht, dass ein Kerl, der so aussah und obendrein in einem solchen Loch lebte, so viel Geld besitzen würde.
Alle wussten, dass Índio bereits einen Teil seines Vermögens in Autos und Immobilien gesteckt hatte. Bei einem VW-Autohaus in Marabá hatte er fünf Autos erstanden und mit Bargeld bezahlt. Direkt aus einer Papiertüte, wie man sie zum Einwickeln von Brot verwendete, wie der Autoverkäufer anschließend in der Gegend herumerzählte. Außerdem hatte er sechs Wohnungen in Belém gekauft und prahlte nun damit, eines Mittags auch gegenüber Júlio, dass er in jeder eine Frau unterhielt. Seine jüngste Anschaffung war ein silberner Pickup F1000 mit einem 3,9-Dieselmotor, den er sich zwei Wochen vor ihrer Ankunft zugelegt hatte.
Índio besaß so viel Geld, dass er mindestens dreimal die Woche mit einem zweimotorigen Flugzeug nach Marabá flog, um sich mit den Mädchen aus der Stadt zu vergnügen – denn Serra Pelada durften Frauen nicht betreten. Der Flug dauerte zwanzig Minuten und kostete nicht weniger als viertausend Cruzeiros. Júlio rechnete nach – dieser ärmlich aussehende Mann gab mindestens zwölftausend Cruzeiros in der Woche aus, und das nur, um nach Marabá zu gelangen. Wenn er so reich war, dann konnte Índio locker mehr als fünftausend Cruzeiros dafür ausgeben, einen Gegner loszuwerden. Júlio besprach sich mit Cícero, ob er den Garimpeiro nicht dazu bringen könnte, seinen Lohn zu erhöhen. Aber der Onkel wies ihn zurecht, dass das Thema Geld Tabu sei, sobald das Geschäft abgeschlossen war.
Nach dem Mittagessen bei Índio wollte Paraíba Júlio den Mann zeigen, den er töten sollte. Sie kamen zu einem riesigen Erdloch, um einiges größer als zwei Fußballfelder und an die hundert Meter tief. Dem Krater, der kein Ende zu haben schien, entstiegen Tausende mit grauem Schlamm verkrustete Männer, die Jutesäcke auf ihren Rücken schleppten. Während die einen hinaufstapften, stiegen die anderen hinab, wie die Ameisen. So ging es den ganzen Tag. Die Schürfer kamen über einen serpentinenartig ausgetrampelten
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