Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders
zur größten Tagebau-Goldmine der Welt. Zwei der Aufträge würde Cícero übernehmen, und Júlio, weil er weniger Erfahrung hatte, den anderen. Dafür würde er fünftausend Cruzeiros bekommen.
Sie fuhren mit einem Laster hundertsiebzig Kilometer über holprige, meist nicht asphaltierte Straßen nach Marabá im südlichen Pará. Wegen der Trockenzeit wirbelten die vollbesetzten Laster und Busse, die auf dem Weg ins El Dorado von Pará waren, feinen, roten Staub auf. Während der vierstündigen Fahrt rauchte Júlio ein halbes Päckchen Continental , eine Angewohnheit, die er vom Onkel abgeschaut hatte. Er hatte den bitteren Geschmack seiner ersten Zigarette, mit neunzehn Jahren, verabscheut. Aber weil Cícero immer davon redete, dass Rauchen einem Mann Kraft und Mut einflöße, beschloss er, sich daran zu gewöhnen.
Sie kamen in Marabá an, und Júlio fand eine noch hektischere Stadt vor als vor drei Jahren. Damals war er zum ersten Mal dort gewesen, um zwei Bauern umzubringen, die mit Grundbesitzern um die Verteilung von Land stritten. Bis heute ist Pará der brasilianische Bundesstaat mit den meisten Morden im Zusammenhang mit Landkonflikten.
Marabá war voll mit Autos, Lastern und Bussen. Die Lehmstraßen wimmelten von den vielen Menschen, über ihren Schultern und Armen trugen sie Taschen, Rucksäcke und Einkaufstüten, überall herrschte ein höllischer Radau. Man sah kaum eine Frau, es waren beinahe ausschließlich Männer aus den unterschiedlichsten Ecken des Landes, auf der Jagd nach dem Fund ihres Lebens.
Es waren so viele, dass die Regale der Supermärkte und Bäckereien jeden Tag wie leer gefegt waren, sodass Cícero und Júlio, die sich vor der Weiterfahrt nach Serra Pelada mit Lebensmitteln versorgen wollten, weder Bohnen, Nudeln, Zucker noch Kekse oder Öl fanden. Alles, was sie auftreiben konnten, waren fünf Kilo Reis, zwei Kilo Trockenfleisch, Salz, Mehl, zwei Dosen Guavenbrot und eine Packung Zigaretten. Bevor sie auf den nächsten Laster zur Goldmine stiegen, machten sie in einer Bar Halt. Cícero bestellte ein Bier, Júlio eine Cola. Obwohl ihn der Onkel damit aufzog, würde ihn nichts dazu bringen, die Cola für ein Bier einzutauschen.
Die verbleibenden hundertsechzig Kilometer nach Serra Pelada waren um einiges mühsamer als die Strecke von Imperatriz nach Marabá. Auf der Ladefläche saßen sie zwischen etwa vierzig Männern eingepfercht, alle mit angewinkelten Beinen, damit in der Mitte Platz war für Rucksäcke und Einkaufstaschen. Es waren Junge und Alte, Blonde und Schwarze. Die Dialekte gingen wild durcheinander. Aus den Gesprächen konnte Júlio erfahren, dass einige dieser Goldabenteurer aus Maranhão und Bahia, andere aus Mato Grosso oder Paraná kamen. Zum Glück wurde er nicht angesprochen, denn er fürchtete sich davor, sich als Goldschürfer auszugeben, ohne die geringste Ahnung davon zu haben. Also tat er, als ob er schliefe.
Erst als der Laster rumpelnd in einen Waldweg einbog und sein linker Nachbar auf ihn fiel, machte er die Augen wieder auf. Das Fahrzeug streifte die Äste der Bäume entlang der Straße, so eng war der Weg. Er hätte nur den Arm ausstrecken müssen, um die Stämme zu berühren. Das kleinste Schleudern würde den Laster vom Weg abbringen und in den Wald befördern. Aber den Fahrer schien das zu nicht kümmern, er fuhr mit einer halsbrecherischen Geschwindigkeit. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Júlio Angst vor einem Autounfall. Zwanzig Minuten dauerte die Qual, dann bog der Laster auf eine breite Lehmpiste. Nach einer weiteren Stunde erreichten sie Serra Pelada. Ein infernalisches Getümmel. Überall nur Männer. Weder in Imperatriz noch in Xambioá hatte er ein vergleichbares Chaos erlebt. Die über achtzigtausend Männer, die damals in Serra Pelada lebten, schienen jeden Handbreit dieser grauen Erde zu besetzen. Der Laster hielt, alle sprangen hektisch von der Ladefläche.
Es gab kein einziges gemauertes Haus, nur mit schwarzen Plastikplanen oder Planken überdeckte Holzhütten. Júlio sah sich dieses Pandämonium voller Verwunderung an, da sah er, dass die Männer, mit denen er gereist war, von der Polizei angehalten und penibel durchsucht wurden. Sogar ihre Rucksäcke und Einkaufstaschen wurden geöffnet. Niemand, der nach Serra Pelada wollte, kam an dieser Kontrolle vorbei. Sie wollten verhindern, dass Waffen und Alkohol eingeschmuggelt wurden. Júlio dachte an die Revolver, die sie in Cíceros Rucksack zwischen den Socken versteckt hatten.
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