Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders
darauf warteten, dass Adilson die Bank verließ.
»Ja, das ist kompliziert«, sagte Júlio zerstreut.
»Kompliziert ist kein Ausdruck. Ich selbst war schon drei- oder viermal bei ihm, um das Geld einzutreiben. Aber Adilson kommt immer mit neuen Ausreden.«
»Was sagt er denn?«
»Dass er kein Geld hat, dass er seine Miete zahlen muss, Rechnungen, Schulgeld… Das geht schon fünf Monate so.«
»Aber wäre es nicht besser, dein Chef zwingt den Kerl zu zahlen, anstatt ihn töten zu lassen? Wenn er tot ist, bekommt dein Chef dieses Geld niemals zu sehen.«
»Du verstehst nicht. Der Chef weiß genau, dass Adilson seine Schulden niemals zurückzahlen wird. Da mein Chef davon lebt, Geld zu verleihen, muss er den Leuten zeigen, was passiert, wenn einer nicht zurückzahlt. Lässt er Adilson damit durchkommen, denken alle anderen, die sich bei meinem Chef Geld geliehen haben, das könnten sie dann auch tun.«
»Verstehe. Zeig mir den Kerl, und er wird heute noch von der Bildfläche verschwinden«, versprach Júlio.
Um sechzehn Uhr zehn an diesem heißen Freitag verließ Adilson die Bank. Er trug Jeans und ein blaues, langärmliges Hemd, das in die Hose gesteckt war. Er war schlank, ungefähr einen Meter fünfundsechzig groß und zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahre alt. Er hatte dunklere Haut und krause, schwarze Haare. Sein Gesicht war rasiert. Von der Bank ging er hundert Meter bis zu einer Bushaltestelle. Er fuhr fünf Stationen und stieg dann vor einem Supermarkt aus. Júlio sprang aus dem Wagen und folgte Adilson in einem Abstand von etwa dreißig Metern bis zu dessen Haus. Sérgio hatte noch gesagt, dass er dem Mann gar nicht nachgehen müsse.
»Ich weiß, wo Adilson wohnt, Jorge«, sagte er und redete Júlio mit seinem Pseudonym an.
»Ich weiß. Aber ich will mich selbst umsehen.«
»Wieso das denn?«
»Um zu sehen, wie die Lage ist, ob die Straße belebt ist… Solche Sachen.«
»In Ordnung.«
»Warte hier.«
Fünfzehn Minuten später war Júlio zurück. Adilson wohnte in einer ruhigen, unbefestigten Straße, sie war nur schwach beleuchtet. An jeder Ecke eine Laterne, mehr nicht. Júlios Plan war, sein Opfer genau so zu töten, wie er es schon so oft getan hatte. An die Tür klopfen, und sobald der Bankangestellte erschien, ihm eine Kugel in den Kopf jagen. Um schnell zu entkommen, brauchte er ein Motorrad.
»Ich habe ein Motorrad. Aber ich kann es dir nicht leihen«, meinte Sergio.
»Warum? Funktioniert es nicht?«
»Nein, aber ich fahre damit immer selbst durch die Stadt. Wenn sich jemand das Nummernschild aufschreibt, bin ich dran.«
»Ach was, Sérgio. Wir montieren das Nummernschild ab. Ich habe das schon oft gemacht.«
»Ernsthaft?«
»Natürlich. Glaub mir. Das geht alles gut.«
Nachdem sie bei Sérgio zu Hause Yams mit Huhn gegessen hatten, nahm Júlio das Motorrad und fuhr zu seiner nächtlichen Arbeit. Kurz nach acht Uhr traf er vor Adilsons Haus ein. Die Straße war menschenleer. Er ließ den Motor laufen, behielt den Helm auf und klopfte dreimal an der Tür. In der rechten Hand versteckte er den Revolver hinter seinem Rücken. Als er hörte, dass die Tür aufgeschlossen wurde, machte er sich bereit. Ein einziger Schuss würde genügen. In den Kopf. Aber es öffnete ein etwa zehnjähriger Junge. Er hatte krauses Haar und sehr dunkle, große Augen. Der Vater sei gerade fortgegangen, sagte er.
»Wenn Sie sich beeilen, erwischen Sie ihn noch auf der Straße.«
Júlio strich dem Jungen mit der Hand über den Kopf und ging zum Motorrad zurück. Er fühlte sich schlecht bei dem Gedanken, dem Jungen seinen Vater nehmen zu müssen. Er überlegte, ob Adilson wohl weitere Kinder hatte, ob er seine Frau liebte, ob er Geschwister hatte. Genau deswegen versuchte er immer zu vermeiden, Verwandte oder Freunde seiner Opfer kennenzulernen. Es war alles viel leichter, wenn die Person, die man zu töten hatte, nicht mehr als ein Name war und ein Gesicht. So wollte er Adilson sehen: als einen weiteren Namen, der von der Liste gestrichen wird. Er wollte nicht wissen, ob der Bankangestellte ein guter Vater oder ein guter Ehemann war.
Er machte sich auf die Suche nach dem Mann und sah ihn schließlich an der Bushaltestelle, wo er auf dem Bordstein saß. Aber bevor er nahe genug herangekommen war, war Adilson in den gerade angekommenen Bus gestiegen.
Júlio verfolgte ihn, bis Adilson wieder ausstieg. Aber auch dort war es unmöglich, ihn zu erschießen. Die Straße war sehr belebt und sein Opfer
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