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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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plötzlich ein Flugzeug aus den Wolken auftaucht, dann ist das Unglück bereits geschehen, bevor der Pilot etwas unternehmen kann. Bis das Bild des sich nähernden Flugzeuges sein Gehirn erreicht, vergehen vier Zehntelsekunden. In dieser Zeit durchfliegt die Rakete fast anderthalb Kilometer. Der Pilot nimmt aber das Bild in diesem Zeitraum nur wahr; er zerlegt es nicht. Dazu braucht er fast noch eine ganze Sekunde; und dann ist er bereits 4,5 Kilometer weitergeflogen, und der Zusammenstoß ist erfolgt. Außerdem befindet sich der Mensch beim Start nicht im Vollbesitz seiner physischen Kräfte. Er ist ja einer Beschleunigung von 6 bis 7 G ausgesetzt, der gleichen Beschleunigung übrigens, wie sie der Pilot eines Raketenflugzeuges bei einem Looping erfährt. Ihr habt vielleicht schon den Sitz eines solchen Flugzeuges gesehen? Das ist eigentlich ein Liegestuhl und kein Sitz; denn der Pilot liegt auf dem Bauch, das Kinn auf ein Gummikissen gestützt. Es handelt sich darum, daß unter dem Einfluß der wachsenden Beschleunigung zuerst der Blutkreislauf versagt. Das Blut wird gewissermaßen zu schwer, und das Herz besitzt nicht mehr genügend Kraft, um es in die entlegeneren Teile des Körpers zu pumpen. Deshalb wird es dem Piloten bei scharfen Wendungen und Schleifen oft schwarz vor den Augen. Dann gelangt das Blut nicht mehr bis zum hinteren Teil des Gehirns, wo das Sehzentrum liegt. Nicht wahr, nun versteht ihr, daß der Mensch die Rakete während des Starts nicht sicher steuern kann. Deshalb vertritt ihn die Vorrichtung, die ihr da vor euch habt, der Prädiktor,“ Der Ingenieur legte die Hand auf die glänzende Verkleidung des „Insektenkopfes“. „Während des Fluges durch den leeren Raum muß das Schiff auf dem richtigen Kurs gehalten werden. Man könnte zwar die Rakete den ganzen Weg über mit den Motoren antreiben; aber das wäre eine unnötige Energieverschwendung. Es genügt nämlich vollkommen, sich eine bestimmte Strecke von der Erde zu entfernen und die Motoren auszuschalten. Der ,Kosmokrator‘ fliegt dann dank der Anziehungskraft der Sonne, ähnlich wie die Planeten, weiter; er bewegt sich in den sogenannten natürlichen Bahnen. Es gibt auch andere, die man erzwungene Bahnen nennt, wenn nämlich das Schiff seine Motoren in Anspruch nimmt und sozusagen ,quer durch‘ oder auch ,gegen den Strom‘ fliegt und dabei gegen die Gravitationskräfte der Sonne ankämpft, um den Weg abzukürzen. Das, was auf einem gewöhnlichen Schiff die Aufgabe des Kapitäns und des Steuermanns ist, also den Kurs zu berechnen und zu halten, Hindernisse zu umschiffen, die Instrumente zu überwachen – das alles führt bei uns der Prädiktor durch. Wie ihr ja bereits gehört habt, wirbelt die Rakete im leeren Raum um ihre eigene Achse, um ein künstliches Gravitationsfeld zu schaffen. Deshalb befindet sich vorn, in der Spitze, ein Radarsender, dessen Antenne sich mit der gleichen Schnelligkeit, aber in entgegengesetztem Sinne um die Achse dreht und dadurch im Verhältnis zu den Sternen unbeweglich bleibt. Somit ist der Prädiktor jeden Augenblick in der Lage, sich über Flugrichtung und Fluggeschwindigkeit zu orientieren. Dieses Radargerät könnte man den Gesichtssinn des Prädiktors nennen. Es gibt aber nicht nur die Position des Raumschiffes an, sondern hat auch noch eine andere, ungeheuer wichtige Aufgabe. Im leeren Raum besteht nämlich die ständige Gefahr eines Zusammenstoßes mit Meteoriten. Sie war ein wahrer Alpdruck für die ersten Astronauten. Dank des Radargerätes ist der Prädiktor in der Lage, solchen gefährlichen Begegnungen auszuweichen. Neben dem Gesichtssinn besitzt er noch einen chemoelektrischen Geruchssinn, der außerordentlich empfindlich für die Zusammensetzung der Luft innerhalb der Rakete ist und sie selbsttätig reinigt und reguliert. Die wichtigste Eigenschaft des Prädiktors ist jedoch sein Gleichgewichtssinn, ohne den eine Landung unmöglich wäre. In der Nähe großer Himmelskörper gibt es sogenannte verbotene Zonen, in denen die zusätzliche Reibung, die durch die Schwerkraft erzeugt wird, die Rakete zerreißen könnte. Dank seiner gravimetrischen Instrumente ist der Prädiktor imstande, auch diesen unsichtbaren Riffen auszuweichen. Bei einer Landung, wenn sich das Raumschiff mit geöffneten Bremsdüsen dem betreffenden Planeten nähert, übernimmt der Prädiktor die Steuerung und regelt, während er in Bruchteilen von Sekunden die Veränderungen in der Eigengeschwindigkeit, den Einflugwinkel,

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