Der Poet der kleinen Dinge
Format XXL. Und im Anhänger zwei Kühltaschen, randvoll mit Eiswürfeln und vor allem mit Bierdosen. Er hat sich eine aufgemacht und mir auch eine hingehalten. Er hat einen kräftigen Schluck getrunken und mit der Zunge geschnalzt.
»Aaah! So mag ich das Leben!«
Und um seiner Freude angemessen Ausdruck zu verleihen, hat er sich mit der Faust aufs Zwerchfell geklopft und einen bemerkenswerten Rülpser abgelassen.
»Du bist doch wirklich ein Schwein!«, habe ich gesagt.
»Überhaupt nicht, das ist eine chinesische Weisheit. Laotse selbst hat es gesagt: Wer nicht furzt und nicht rülpst, ist zum Explodieren bestimmt. «
»Laotse, sagst du …«
»Ja, wirklich! Das habe ich im Internet gefunden!«
»Und wonach hast du da gesucht, wenn ich fragen darf? Aber egal, tu dir keinen Zwang an, mach nur weiter. Ich würde es mir übelnehmen, wenn du meinetwegen platzen würdest.«
»Nee, zu spät! Solche Sachen funktionieren nur spontan. Da darf man nicht drüber nachdenken. Jetzt geht es nicht mehr, die Inspiration ist weg.«
Der Zackenbarsch hat im Gras eine Frankreich-Karte ausgebreitet. Er hat sich davorgekniet und mit den Händen auf die Oberschenkel geklatscht. »Also, keine großen Worte! Wie mein Großvater immer sagte.«
Er hat mit der Hand eine ausladende Geste gemacht und mich aufgefordert: »Such dir was aus!«, als wären wir in der Konditorei. Ich habe mich neben ihn vor die Karte gesetzt. Wir haben sie schweigend betrachtet. Dann hat der Zackenbarsch geseufzt: »Schon das allein ist doch erhebend, oder?«
» Erhebend! Was Größeres hast du wohl nicht gefunden? Du hast vielleicht manchmal Wörter drauf!«
»Also, für dich noch mal mit Untertitel: Schon das allein ist doch geil , oder?«
»So verstehe ich dich schon viel besser. Und wenigstens bist das wirklich du.«
Er hat mich mit der Schulter angestoßen. Ich habe so getan, als würde ich rücklings umfallen.
Aber er hatte recht, der Zackenbarsch: Die bloße Tatsache, alle möglichen Routen vor uns zu sehen, löste ein Kribbeln in den Beinen, ein plötzliches Bewegungsfieber im ganzen Körper aus.
Dass wir hier leben, in dieser Gegend, die vielleicht nicht die hässlichste im ganzen Land ist, aber nicht weit davon entfernt, ist umständebedingt, wie der Zackenbarsch sagen würde. Hier lebten und arbeiteten schon unsere Eltern, bevor wir geboren wurden. Und manchmal vor ihnen ihre eigenen Eltern. Wir sind hier groß geworden, haben uns hier halbtot gelangweilt. Dabei hat es immer nach allen Seiten Straßen und Wege gegeben. Keine Schranken, keine Grenzen. Man brauchte keinen Passierschein. Die Welt fing schon immer rings um unsere Stadt an. Was hat uns also zurückgehalten, was hat uns gehindert?
Der Zackenbarsch musste wohl das Gleiche denken.
Mit der Spitze seines dicken Fingers fuhr er eine Route nach, dann eine andere, dann noch eine andere, ganz langsam. In Richtung Meer, Berge, bis zu den Grenzen im Süden, im Norden. Dabei murmelte er vor sich hin. Dann seufzte er: »O Mann, wir haben die freie Wahl! Wir brauchen bloß ein bisschen Kohle für Futter und Sprit.«
So teuer war die Freiheit gar nicht.
A lex ist etwas später zu uns gestoßen, mit der Karre und Gérard.
Kaum hat er das Gespann gesehen, hat er angefangen zu schreien und zu lachen, wobei er sich fast die ganze Hand in den Mund stopfte. Das war ein beeindruckender Anblick.
Und ich glaube, das wird für mich das Bild des Glücks bleiben. Es mag bescheuert klingen, aber nachdem ich den ersten Schock überwunden habe, kommt es mir jetzt manchmal so vor, als wäre Gérard normal und wir die Behinderten.
Wenn man auf die dreißig zugeht, hat man in der Regel gelernt, sich zurückzunehmen. Wenn man sich gehenlässt wie ein kleines Kind, gilt man sofort als durchgeknallt.
Probieren Sie es mal aus, Sie werden schon sehen!
Kann man sich in unserem Alter noch einen Grashang runterrollen? Auf dem Spielplatz auf Rutschbahnen und Karusselle steigen? Den Mund aufsperren, wenn er voll ist, um zu zeigen, was drin ist, so wie wir das in der Schulkantine hinter dem Rücken der Aufpasser gemacht haben? Kann man mit beiden Füßen in Pfützen springen? Den Mädchen die Röcke hochheben, ohne dass es gleich strafbar ist? Auf der Straße in Indianergeheul ausbrechen? Sich die Ohren zuhalten und ganz laut Na-na-na-na-na rufen, um jemandem nicht zuhören zu müssen? Leuten, die nerven, die Zunge rausstrecken? Laut sagen: »Hast du die dicke Frau da gesehen?« Kann man sich in eine Ecke
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