Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
«Thilo Gruber will mir heute erzählen, was seine Nachforschungen über meinen Opa erbracht haben.»
«Warum lässt du die Sache nicht auf sich beruhen, Franco?» Roberto schlurfte zum Herd, um sich einen caffè einzugießen. «Du kennst doch die Wahrheit schon. Lass die Schatten der Vergangenheit in der Vergangenheit.»
«Vielleicht hast du recht», erwiderte Franco, griff nach dem Schürhaken und begann wieder auf der Glut herumzuhacken.
Grauenhaft, dachte Roberto. Für ihn war Feuermachen eine Kunst und das Herumhacken auf der Glut Banausentum. Er schlurfte hinaus, um eine heiße Dusche zu nehmen.
«Dreizehn Euro», sagte Toto und stellte die Proseccoflasche vor Roberto auf die Theke.
«Eh, wie viel?» Roberto schob ihm einen Zehneuroschein hinüber und steckte die Flasche in seine Umhängetasche. «Selbst das ist schon Wucher.»
«In meiner Bar mache ich die Preise und nicht du», fauchte Toto zurück. «Noch drei.»
«Was kostet dich die Flasche im Einkauf, eh? Vier Euro?»
«Kauf sie dir doch selber im Einkauf. Bei mir kostet sie dreizehn.»
«Die hier», Roberto klopfte auf seine Tasche, «kostet zehn e basta . Und jetzt mach mir noch einen caffè .»
Wütend stieß sich Toto von der Theke ab und wandte sich seiner Espressomaschine zu. «Und für wie viel willst du den haben? Zehn Cent?»
«Sei nicht albern, Toto», sagte Roberto. «Ich bin kein Dieb.»
Toto schwieg, seine Körpersprache machte aber mehr als deutlich, dass er in der Sache ganz anderer Meinung war.
«Und dann guck mal im Internet nach, ob du irgendetwas über unterirdische Tunnel oder Gänge in Urbino findest.»
«Warum sollte ich das tun?», murrte Toto, worauf Roberto ihn so lange anlächelte, bis er sich an Robertos Anruf bei Gianni von der Polizia Igienico Ambientale erinnerte. Wütend knallte er den caffè auf die Theke und beugte sich über sein Notebook, das wie immer dort bereitstand.
Roberto klopfte auf die Untertasse. «Amarettino.»
Blass und um Selbstbeherrschung ringend, fischte Toto einen Keks aus der Dose und legte ihn neben die Espressotasse. Dann hämmerte er eine Weile auf die Tastatur ein, studierte das Display, tippte und las erneut. «Das was jeder weiß: Es gibt die für eine mittelalterliche Stadt einzigartige Abwasserkanalstruktur. Dann die unterirdischen Aquädukte für Quellwasser, hier ist ein Artikel aus dem Il Resto di Carlino vom 10. Januar 2006 darüber. Und natürlich Herzog Federicos Fluchttunnel aus dem Palazzo Ducale.»
«Nichts über Tunnel in Zusammenhang mit der Synagoge?»
Für einen winzigen Moment blitzten Totos Augen verräterisch auf, und erneut flogen seine Finger über die Tastatur. «Nichts.»
«Und gibt es alte Stadtpläne? Aus dem Mittelalter?»
«Nicht im Internet. Danach habe ich schon oft gesucht. Nein. Nichts.» Toto verzog sein Gesicht. «Da müsste man körperlich forschen.»
«Körperlich? Was soll das heißen?»
Toto ruderte unbeholfen mit den Armen. «Als Mensch. Richtig vor Ort. Archive, Grundbuchämter, so was.»
Roberto verdrehte die Augen. «Absurd, als Mensch irgendwo hinzugehen, um sich Informationen zu beschaffen, eh?»
Toto verstand die Ironie nicht. «Manchmal muss man. Nimm zum Beispiel das Grundbuchamt. Bei denen geht’s zu wie im letzten Jahrhundert. Nichts als staubige, muffige Mappen, und wenn man was Bestimmtes sucht, dauert es eine Ewigkeit, bis man sich durch die Folianten gewühlt hat. Lächerlich.»
Roberto kippte seinen caffè hinunter. Wieder einmal graute ihm vor diesem digitalen Menschentypus, der es als Zumutung empfand, körperlich zu sein, und plötzlich verspürte er regelrecht Sympathie für Thilo Gruber, der sich stundenlang durch historische Archive wühlte und mit blassen Archivaren plauschte.
Bevor Roberto die Bar verließ, drehte er sich noch einmal um.
«Komm nicht auf die Idee, öffentlich über irgendwelche Tunnel und Gänge unter der Synagoge zu schwadronieren, hast du verstanden?»
«Wieso, gibt es denn da welche?»
«Nein. Du hast doch gerade selbst nachgeforscht.» Roberto zog sich seine Kapuze über und ging hinaus in die Kälte. Kaum war er draußen, begann Toto wie besessen auf seine Tastatur einzuhämmern.
Erst geschlagene zwanzig Minuten später stand Roberto vor Malpomenas Tür. Ein Witz für vierhundert Meter. Wenn ihn unterwegs eine Weinbergschnecke überholt hätte, es hätte ihn nicht gewundert. In seinem Kopf tobte ein Gedankengewitter. Die Vorstellung, mit seiner Kindergartenfreundin Sex zu haben,
Weitere Kostenlose Bücher