Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Molleone. Deswegen bin ich ja auf die Mauer geklettert.»
«Wer?»
«Mein Kater, Roberto. Ich habe ihn seit neuestem, und er heißt Molleone. Hast du das verstanden?»
«Selbstverständlich, Baronessa.»
Roberto schwitzte. Der Baronessa gegenüber kam er sich oft wie ein kleiner Junge vor.
«Oh, jetzt erinnere ich’s wieder. Der Maskenmann sagte ‹vattene› und hat Molleone mit einem Fußtritt verjagt. Herrgott, wie ich meinen Massimo vermisse. Der hätte sich das nicht gefallen lassen. Der hätte sich in den schmierigen Kerl verbissen, der hätte ihm die Eier –»
«Oma!» Die Schwestern im Dreiklang.
«Sagten Sie ‹vattene› , Baronessa?», fragte Roberto.
«Bin ich Demosthenes? Spreche ich mit Kieselsteinen im Mund? Stottere ich wie König Georg VI., mit dem wir übrigens um ein paar Ecken verwandt zu sein belieben?»
Roberto schwieg, alle schwiegen. Wenn die Baronessa derart giftig und gereizt war, zog man am besten den Kopf ein und wartete besseres Wetter ab. Plötzlich fischte sie mit ihrer Linken ihr vibrierendes Handy zwischen Gips und Oberarm hervor, wies den Anrufer ab und schob das Handy wieder zurück unter den Gips. Sie hasste Klingeltöne und hatte sie ausgeschaltet, mit dem Nachteil, das Handy immer hautnah am Körper tragen zu müssen.
Roberto räusperte sich und riskierte einen Vorstoß. « ‹Vattene› ist Dialekt, neapolitanisch. Und heißt ‹verpiss dich›.»
«Na sieh mal einer an. Ich hätte gedacht, es bedeutet ‹nett, dich kennenzulernen›.»
«Wer benutzt denn hier neapolitanische Wörter?», sagte Roberto, ohne seine Gereiztheit zu verbergen.
Die Baronessa sah ihn erstaunt an und wandte sich ihren Enkelkindern zu. «Wenigstens einer, der sich wehrt. Roberto ist wie Massimo, Gott hab ihn selig.»
Roberto tat so, als wäre der Vergleich ein Kompliment. Massimo war ein riesiger, fauler, vollgefressener Kater gewesen, dessen früher Tod mit Sicherheit auf Herzverfettung zurückzuführen war.
«Ich frage mich, welche Beweggründe der Täter hatte. Oder haben wir es mit einem Verrückten zu tun, der ohne Sinn und Verstand handelt?»
«Oma sollte zu einer von uns ziehen», sagte Raffaella. «Dann ist sie in Sicherheit.» Malpomena nickte, nur Antonia schwieg und fächelte sich mit flatterigen Bewegungen Luft zu.
«Nichts da», fauchte die Baronessa. «Ich lasse mich nicht vertreiben. Roberto, du wirst mir die Benelli von meinem Armando, Gott habe ihn selig, ölen und mit Munition versehen. Eine 9-mm-Parabellum, falls du es nicht weißt.»
«Armando hat mir damit das Schießen beigebracht, Baronessa.» Er verschwieg, wie verzweifelt Armando sein Training nach einiger Zeit abgebrochen hatte, weil Roberto praktisch nie die Zielscheibe, geschweige denn jemals deren Mitte getroffen hatte.
«Vielleicht sollte Fidel für ein paar Tage bei dir wohnen», schlug Malpomena vor. «Er verfügt über bedeutende Körperkräfte.»
«Der Kubaner? Nichts da. Der hat eine eigenartig bipolare Aura.»
Keiner fragte nach, was die Baronessa damit meinte, obwohl ihr auffordernder Blick sagte, dass sie gerne mehr dazu sagen würde.
«Ich werde zu dir ziehen, Oma», sagte Antonia und erntete erstaunte Blicke von ihren Schwestern und von Roberto. Ausgerechnet Antonia?
«Lass mal gut sein, Kindchen», sagte die Baronessa und tätschelte ihre elfenhaft zarte Enkelin. «Die nächsten Tage werde ich ja ohnehin hier in diesem Zimmer verbringen müssen. Die sagen, wegen meines Kreislaufs. Quacksalber. Wird Zeit, dass Malpomena endlich ihr Medizinstudium zum Abschluss bringt.»
Beschämt sah Malpomena zu Boden.
«Ich mache es trotzdem», beharrte Antonia und erhob sich. «Aber jetzt habe ich dringend etwas zu erledigen.»
Roberto sprang auf. «Das ist richtig.»
«Ich meinte nicht die Sache mit dem Lockvogel», sagte Antonia, als sie draußen auf dem Gang waren. «Dafür werde ich nicht zur Verfügung stehen.»
«Wieso nicht? Du hast es doch selber vorgeschlagen.»
«Ich habe es mir anders überlegt.»
«Der Kerl, der dich attackiert hat, wird nicht aufhören.»
Antonia schwieg. Sie wirkte seltsam beschämt.
«Und ich glaube, es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Überfall auf dich und den auf deine Oma.»
«Was meinst du damit?» Antonia versteifte sich.
«Ich kann es dir nicht erklären. Ein Gefühl.»
«Ich finde deine Gefühle hier sehr fehl am Platz», entgegnete Antonia scharf.
Roberto sah sie prüfend an. «Du bist nicht sicher, solange der Mörder frei herumläuft», sagte
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