Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Kunst. Erlernt hatte er sie von seiner Mutter, die darin eine Meisterin gewesen war.
Obwohl Roberto todmüde war, verspürte er wenig Lust, schon so früh ins Bett zu gehen. Gleichzeitig hatte er genauso wenig Lust, sich an die trippa alla marchigiana zu machen, obwohl sein Magen heftig knurrte. Unschlüssig wanderte er zwischen dem Kamin und dem SATOR-Palindrom bei der Eingangstür hin und her, einem in den Boden eingelassenen Mosaik aus wunderbar weißen, glatten Flusssteinchen, das schon so gut wie fertiggestellt war. Die Wahrsagerin und Astrologin Lana Ferreo hatte ihm die Empfehlung gegeben, auf diesen schon von den Römern benutzten Schutz zurückzugreifen, um nicht immer einen mit Salz bestreuten Besen in den Türrahmen stellen zu müssen, wenn er das Haus verließ.
Das waren die Momente, in denen er sich wünschte, nicht allein zu leben, in denen er an die Zeit mit Maria Corbucci dachte, vor zehn Jahren, als er in Bologna die Ausbildung zum commissario bei der Polizia di Stato begonnen hatte. Maria zuliebe, denn sie war der Meinung gewesen, dass er als Poliziotto bei der Polizia Municipale nur schlecht für eine Familie würde sorgen können. Roberto war nie besonders ehrgeizig gewesen, aber ihr Argument hatte ihm eingeleuchtet. Dass sie ihn einfach nur aus der Schusslinie haben wollte, weil sie schon längst ein Auge auf seinen Chef geworfen hatte, hätte er damals nicht für möglich gehalten. Aber was Maria betraf, hatte er noch nie einen klaren Kopf gehabt.
« Oddio , du wirst melancholisch», sagte er zu dem Feuer, warf gleich mehrere Eichenscheite auf die Glut und verließ das Haus. Bei seinem Cousin Osvaldo gab es bestimmt etwas Gutes zu Essen.
Rombolina leuchtete wie ein Vergnügungspark. Die sieben neuen Hausbesitzer aus Deutschland hatten als Erstes Laternen und Scheinwerfer an ihren rustici anbringen lassen, und obwohl keiner von ihnen sich zurzeit hier aufhielt – Gruber war ohnehin der Einzige, der hier dauerhaft wohnte –, gingen jeden Abend alle Lichter an. Dabei handelte es sich noch nicht einmal um Energieverschwendung, denn Gruber hatte am Hang oberhalb seines Hauses eine Solarzellenanlage inklusive diverser Akkus installiert, und da zurzeit mangels Einwohnern kaum Bedarf an Strom vorhanden war, ließ er eben nachts die Lampen leuchten. Was für Roberto nicht unpraktisch war, denn so stolperte er auch ohne Taschenlampe nicht über Osvaldos Gerümpel, das überall herumlag.
Für einen Moment verharrte Roberto. Grubers Haus lag linker Hand weniger als einen Steinwurf entfernt, eindeutig das größte und auch schönste rustico in Rombolina. Aus allen Fenstern fiel Licht. Wie bei der Titanic, bevor sie den Eisberg rammte. Wieso musste ein einzelner Mensch in einem riesigen Haus jede Nacht alle verfügbaren Lampen einschalten? Totale Überheblichkeit. Vor ihm, genauso nah, der Turm, bei dem es sich eigentlich um einen drei Stockwerke hohen schmalen Anbau handelte, der alle anderen Häuser in Rombolina überragte. Einer der früheren Besitzer hatte dringend mehr Wohnraum gebraucht, und weil um das Haus herum nicht genügend Platz vorhanden war, hatte er in die Höhe gebaut. Pro Etage gab es nur ein Zimmer und eine Stiege, um in das jeweils nächsthöhere zu gelangen. Auch im Turm brannte überall Licht. Sogar in der ebenerdigen cantina darunter, einem fensterlosen, teilweise in den Hang gebauten Gewölbe mit perfektem Klima, um dort Wein zu lagern. Bis der deutsche Immobilienfresser hier aufgetaucht war, hatte Roberto seinen eigenen Wein dort gelagert. Natürlich hatte der Eindringling darauf bestanden, dass er die cantina räumte. Seitdem musste Roberto seine Weinfässer in seiner Scheune lagern, die im Sommer bei weitem nicht so kühl war und sich im Winter deutlich abkühlte. Deswegen hatte er schon vor Monaten begonnen, den Boden auszuheben, um sich sein eigenes Gewölbe zu mauern, aber da er in der Enge keinen Bagger benutzen konnte, musste er die Arbeit per Hand erledigen. Das dauerte.
Wütend kickte er einen Stein hinüber, verdammt, nichts als Ärger, seit der Teutone hier aufgetaucht war. Und während er den Flug des Steins verfolgte, blitzte plötzlich Antonias Angebot durch seinen Kopf: die zwei Turmzimmer, die sie ihm verkaufen wollte, auf die der Deutsche kein Vorkaufsrecht hatte – handelte es sich dabei nicht um die Zimmer in der ersten und zweiten Etage? Das eine war nötig, um in die cantina zu gelangen, und ohne das zweite war das Zimmer im dritten Stock
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