Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Roberto hervor und versuchte, mit dem Lachen aufzuhören, aber es ging nicht. Er griff nach dem caffè , hatte jedoch plötzlich das Gefühl, dass die Hand da vor ihm nicht ihm gehörte. Er zuckte zurück. Die Hand auch. Natürlich, was denn sonst, sagte er sich, und musste schon wieder lachen.
«Gib mir mal drei Espressotassen, Toto.» Höchste Zeit, sich wieder ein wenig zu erden.
Toto überlegte einen Moment, ob er sich weigern sollte. Nein, besser nicht; wenn sich der Poliziotto merkwürdig verhielt, war höchste Vorsicht geboten. Meistens suchte er dann Streit, und am Ende zückte er wegen irgendeiner Lappalie seinen Bußgeldblock. Toto stellte ihm drei leere Espressotassen hin. Roberto wiegte sie ein wenig hin und her, nahm Schwung, warf die erste in die Luft, doch wie von Geisterhand gelenkt, flog sie nicht nach oben, sondern krachte seitwärts gegen die Vitrine, wo sie einen hässlichen Riss im Glas hinterließ, die zweite Tasse verschwand hinter der Theke und zerschellte am Boden, und nur die dritte konnte Toto mit einem beherzten Griff in die voraussichtliche Flugbahn daran hindern, die nackte Leuchtstoffröhre an der Decke zu zerschmettern.
«Was fällt dir ein?», rief Toto.
«Alles gut», erwiderte Roberto gut gelaunt und wunderte sich selber über die seinen gesamten Körper erfassende Euphorie.
«Nichts ist gut. Wer bezahlt mir denn jetzt den Schaden?» Toto war richtig sauer.
«Der Golem!», brüllte Roberto und schüttelte sich vor Lachen.
«Sehr witzig.» Toto bückte sich, um die Scherben aufzukehren. Erst jetzt bemerkte Roberto die leise Musik im Hintergrund. Dieses Mal nicht Adriano Celentano, auch nicht diese unsägliche Gummimusik ohne Anfang und Ende, die zu hören man in Supermärkten verdonnert wurde. Nein, das war «Un gelato al limon» , ein Klassiker, gesungen von Paolo Conte, dem Meister der melancholischen Einsamkeit, dem einsamen Wolf am Klavier, dem Mann mit der riesigen Knollennase und den in die Stirn gemeißelten Sorgenfalten. Merkwürdigerweise hörte Roberto das Stück nicht nur, er war plötzlich mittendrin, zuerst im Flügel, sah die vibrierenden Saiten, die Mechaniken, die wie Spieluhrpuppen zu der Musik tanzten, und dann ragte Paolos Gesicht vor ihm auf, groß wie ein Ozeandampfer und voller Pockennarben und Mitesser. Das war erschreckend. Roberto schüttelte den Kopf, hörte aber sofort wieder damit auf, weil er das Gefühl hatte, der Kopf würde möglicherweise seinen angestammten Platz auf seinem Hals verlassen und durch die Tür hinaus auf die Piazza fliegen.
«Ist Ihnen nicht gut?»
«Hä?» Roberto drehte seinen Kopf so langsam wie möglich, um ihn auf die Stimme auszurichten, die von rechts an sein Ohr drang.
«Kann ich helfen?»
«Gruber!», lachte Roberto und griff mitten in dessen Gesicht, um sich an seiner Nase festzuhalten.
Thilo Gruber beugte sich ein wenig zurück und sah Roberto scharf in die Augen. Roberto wurde von Conte abgelenkt, der den Refrain «Un gelato al limon» einige Male wiederholte. Vor Robertos geistigem Auge wuchs ein angeschmolzenes Zitroneneis in die Höhe.
«Hast du Eis, Toto?», fragte er, ohne das Zitroneneis aus den Augen zu lassen.
«Natürlich.» Toto war sowohl für das beste Eis der Gegend als auch für die kleinsten Portionen bekannt, und selbst im Winter produzierte er drei Geschmacksrichtungen.
«Einmal Zitrone. Du auch, Gruber?», fragte Roberto.
Der Deutsche sah ihn weiterhin prüfend an. «Nein, danke.»
«Nuss, Schoko oder Vanille», sagte Toto.
«Alle drei», bestellte Roberto. «Und Zitrone.»
«Habe ich nicht.»
«Macht nichts», säuselte Roberto. In seinem Inneren verdrängte jetzt eine andere Musik die von Paolo Conte, ein Reggae von Bob Marley, dessen Titel ihm nicht einfiel, der aber besser zu seinem momentanen Gefühl passte als jede andere Musik. Roberto konnte sich nicht erinnern, sich jemals in seinem Leben so entspannt gefühlt zu haben. Dub-a-dschaka-dub-a-dschaka. Er schloss die Augen, wiegte seinen Oberkörper vor und zurück und sang mit. Ai scotte se scerife batte ai dide notte sciutte se depiuti .
Gruber beugte sich zu Toto hinüber. «Haben Sie eine Couch und eine warme Decke?»
Toto deutete nach hinten.
«Dann helfen Sie mir mal.» Gruber wandte sich an Roberto. «Wollen Sie sich ein wenig hinlegen, nur ein paar Minuten? Dann können Sie in Ruhe Ihr Eis essen.»
Roberto öffnete unwillig die Augen. Was wollten denn diese strengen Typen von ihm? Er rutschte von dem Barhocker
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