Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
auflöste als weißer, ließ ihn in seine Tasse rieseln und rührte fünfmal um. «Was ich nicht verstehe: Wieso lässt du keinen Glaser kommen? Das ist viel einfacher. Jeder vernünftige Mensch würde das so machen.»
«Weil’s sich nicht rechnet.» Toto widmete sich weiter seinem Do-it-yourself-Projekt. Mehrmals verrutschte die Kartusche und hinterließ einige hässliche Silikonstreifen auf dem Glas.
«Sieht außerdem besser aus, wenn’s ein Fachmann macht.»
«Rechnet sich nicht.»
«Da ich für den Schaden aufkomme, kann es dir ja egal sein.»
Toto starrte den Poliziotto an, als hätte der ihm offenbart, schwanger zu sein. «Du willst bezahlen?»
Roberto nickte, als wäre das das Selbstverständlichste der Welt. Erleichtert griff Toto nach der neuen Glasscheibe, aber sein Lächeln hielt nicht lange an, schon verdunkelte sich sein Gesicht wieder: Wer zahlte ihm denn jetzt seine eigenen Arbeitskosten? Durch seine Eigeninitiative hatte er die ganze Sache im Grunde für Roberto deutlich billiger gemacht. Der Gedanke ärgerte ihn so sehr, dass er für einen Moment nicht aufpasste, einen winzigen Moment, in dem er seinen Griff lockerte und die Scheibe seinen von der ungewohnten handwerklichen Arbeit ohnehin feuchten Händen entglitt und zu Boden fiel. Ein Splitterregen.
Roberto beugte sich über die Theke. «Die ist hin.»
Toto war unfähig zu sprechen.
«Also, was kriegst du jetzt? Die Getränke von heute und von gestern, das Glas, alles zusammen?»
«Acht Euro.»
Roberto tippte auf die Rechnung von der Glaserei Vasai aus Fermignano. «Plus achtundzwanzig, richtig?»
Toto hob den Zeigefinger und schwenkte ihn verneinend hin und her. «Das zahle ich, ist ja mein Fehler. Ich lass einen Glaser kommen, und du zahlst dann dessen Rechnung.»
Für einen Moment starrten sich Toto und Roberto an. Für den Poliziotto würde es teurer werden und für den barista billiger. Das ärgerte Roberto, aber die Zusage zurückzunehmen erschien selbst ihm wie eine zu heftige Konfrontation. Toto hingegen fürchtete, dass der Poliziotto genau das machen würde.
«Gib mir vierzig, dann sind wir quitt», sagte Toto, immerhin hatte er dann noch vier Euro mehr herausgeholt.
«Ich gebe dir sechsunddreißig, und du sagst mir Bescheid, wenn die neue Scheibe da ist. Dann setze ich sie dir ein.»
Totos Gesicht verfinsterte sich wieder.
«Und ich drücke ein Auge zu, wenn du wieder mal illegal am Nachmittag zum Beliefern in die Stadt fährst.»
Zähneknirschend gab Toto nach. Irgendwie war das nicht dasselbe wie Bargeld.
Roberto legte ihm zwei Scheine hin. «Sag mal, vorgestern Nacht, als Ruggero Grilli getötet wurde, war da Spartaco Mori bei dir in der Bar? Irgendwann zwischen null Uhr dreißig und zwei Uhr?»
«Spartaco? Den seh ich hier höchstens dreimal im Jahr.»
«Und? War gestern einmal von dreimal?»
Toto schüttelte verdrossen den Kopf und gab Roberto seine vier Euro Wechselgeld heraus, allerdings nur in Zwanzigcentmünzen. «Spartaco verkehrt in einer anderen Bar, da allerdings fast täglich.»
Roberto schob sich das Kleingeld in die hohle Hand, stopfte es in seine Hosentasche und erhob sich. Franco ebenfalls. «Und welche Bar ist es?»
«Die Bar Complotto», stieß Toto hervor.
Roberto warf einen Blick hinaus auf die antike Uhr hoch oben an der Hausfassade Ecke Via Garibaldi und Via Veneto. Noch eine Stunde, bis Sergio Bonasera in der Wache der Polizia Municipale vorsprechen würde. Zeit genug, um bei den Verschwörungsrentnern vorbeizusehen. Und der Rapport bei Cottelli? Der musste eben warten. Roberto musste grinsen bei der Vorstellung, wie der Hampelmann in die Luft gehen würde, wenn er mit locker zwei Stunden Verspätung auflief. Roberto ging zur Tür, Franco klebte wie gewohnt an ihm.
« Ou , Roberto!», rief Toto mit deutlich hörbarer Schadenfreude hinter ihm her.
Roberto erstarrte. Der Mistkerl wusste genau, Hinterherrufen machte üble Geister auf den Angerufenen aufmerksam.
«Was willst du, cretino ?»
«Nichts», grinste Toto. «Beehr mich bald wieder. Ich freue mich immer über deinen Besuch.»
Roberto drehte seinen Hufnagelring fünfmal und verließ die Bar ohne ein weiteres Wort.
Alle Wege durch Urbino waren kurz. Luftlinie maß die Altstadt zwischen den beiden am weitesten voneinander entfernten Punkten von der Porta Santa Lucia bis zum Wehrplateau am Ende der Via Aurelio Saffi gerade einmal neunhundert Meter. Auf ebener Fläche würde ein Fußgänger dafür selbst mit Übergewicht und
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