Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Umweg gewesen war, aber er kannte den Besitzer gut genug, um ihn morgens um 5.30 Uhr aus dem Bett zu klingeln. Natürlich würde es seine Pein kurzfristig ins Unermessliche steigen lassen, wenn er seine Ornella zusammen mit dem Skilehrer bei ihrem Liebesspiel – einfühlsam! toller Sex! – zusehen musste. Spätestens jedoch wenn Ornella die gebrauchte Unterwäsche fremder Frauen unter dem Kopfkissen und unter dem Bett ihres Südtiroler Yetis fand, war mit einer Szene zu rechnen, die ihn für alles entschädigen würde. Er selbst hatte eine solche in den Jahren ihrer Ehe ein- oder zweimal erlebt. Oder war es fünfmal gewesen? Er begann im Geiste, seine Seitensprünge zu zählen, zuerst mit einem gewissen Stolz, es waren sieben, dann mit der reuigen Erkenntnis, Ornella damit vielleicht doch ein wenig zu viel zugemutet zu haben.
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17.
Toto werkelte mit einer Silikonkartuschenpistole an seiner Glasvitrine herum und sah nicht einmal auf, als Roberto und Franco die Bar betraten.
«Einen caffè macchiato », bestellte Roberto, während er sich auf einen Barhocker vor der Theke setzte. «Und für Franco einen Pfirsichsaft.»
«Ich mag keinen Pfirsichsaft», sagte Franco und setzte sich ganz nah neben Roberto. «Für mich einen ristretto .»
«Nichts da», beschied Roberto. «Kein Koffein.»
«Und warum?», maulte Franco.
«Wenn du schon den ganzen Tag hinter mir herdackelst, dann will ich wenigstens keine Flitzeaugen und kein Zittern mehr sehen.»
Franco nickte traurig und schuldbewusst. «Kann ich dann vielleicht einen Orangensaft haben?»
Sofort hatte Roberto Mitleid mit ihm, und er nahm sich wieder einmal vor, sich bei nächster Gelegenheit eingehend um Francos aus der Bahn geratenen Seelenhaushalt zu kümmern.
Toto reagierte immer noch nicht. Neben ihm auf der Theke lag eine neue Glasscheibe für die Vitrine. Die gesprungene hatte er schon herausgepult und gewissenhaft in Zeitungspapier verpackt. Nicht, dass er sich um die Verletzungsgefahr scherte, die von einer defekten Glasscheibe ausging, es war die Furcht vor Regressansprüchen, falls sich jemand daran schnitt. Zwar würde seine Haftpflichtversicherung dafür aufkommen, aber Toto traute den Typen in dieser Raubritterbranche nicht, bestimmt würden sie ihm nach einem Schadensfall postwendend die Beiträge erhöhen.
«Was ist, barista , soll ich meinen macchiato selber machen?»
Toto warf seine Kartuschenpistole krachend hin und machte sich mit ruckartigen Bewegungen an seiner Espressomaschine zu schaffen.
Roberto deutete in die Bar. «Ganz schön leer heute.»
«Rate mal, warum!», blaffte der spindeldürre barista zurück.
«Vielleicht weil du heute eine noch beschissenere Laune als sonst hast. Da musst du mal dran arbeiten, Toto. Nicht alle sind so nachsichtig wie ich.»
Toto knallte den macchiato und den Orangensaft auf die Theke und griff wortlos nach dem Silikon.
«Also, warum?»
«Geh mal in die Bar Complotto, dann weißt du, warum.»
Roberto war ehrlich erstaunt. «Du meinst, deine Gäste kommen nicht mehr zu dir, sondern rennen alle durch die halbe Stadt, um sich das Geschwätz von diesen Verschwörungsrentnern anzuhören?»
«Keine Ahnung, was die sich da anhören. Jedenfalls hast du die beiden aus meiner Bar verjagt, und sie haben meine Kunden mitgenommen. Und dann hast du auch noch randaliert und meine Einrichtung zerdeppert.»
«Jetzt bleib mal auf dem Teppich. Das bisschen Glas.»
Toto zog eine Rechnung von der Vetreria Vasai aus seiner Hemdtasche und legte sie vor Roberto auf die Theke. «Die Scheibe, die Spezialverpackung für den Transport, das Silikon. Dann die Fahrt nach Fermignano hin und zurück, und nicht zu vernachlässigen die verlorenen Einnahmen, weil ich die Bar vorübergehend schließen musste.»
«Viel kann das nicht sein. Kommt ja eh keiner.»
Totos Blick war tödlich.
«Außerdem, was fährst du extra nach Fermignano? In der Piola San Andrea hat Augusto Ravaglia seinen Laden.»
«Bei Ravaglia kostet es das Doppelte. Das rechnet sich nicht.»
Roberto tippte auf die Untertasse seines caffè . «Wo ist eigentlich der amarettino ?» Zu einem macchiato gehörte nun mal dieser luftige, harte, runde Keks.
Wütend griff Toto in seine Keksdose und warf gleich eine Handvoll vor Roberto auf die Theke. «Da! Reicht das?»
Roberto nahm sich einen, schob ihn in den Mund und wartete, bis er weich geworden war. Dann riss er ein Zuckerbeutelchen auf, braunen Zucker, obwohl der sich schlechter
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