Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
unters Kopfkissen geschoben. Ich war nervös. Aus Angst, dich zu verletzen.»
Die nächste Explosion. Galdroni drehte die Lautstärke herunter und wartete ab. Das Ende konnte nicht mehr weit sein. Schon nach einer Minute wechselte Ornella wieder zu Tränen.
«Versprich mir, dass du die Wahrheit sagst», schluchzte sie und sah den Yeti auf eine Art an, die Galdroni überhaupt nicht gefiel.
«Ich schwöre. Ganz ehrlich. Das ist die Wahrheit.» Er breitete die Arme aus, und Ornella warf sich erleichtert an seine Brust. Galdroni griff nach dem Joystick und zoomte an die Rechte des Yetis heran. Da, er kreuzte den Mittel- und Zeigefinger. Um den Schwur unwirksam zu machen.
«Du Ratte, du miese kleine Ratte», flüsterte Galdroni und biss die Zähne zusammen, weil er ahnte, was jetzt kam: Versöhnung, leidenschaftliche Versöhnung. Er sprang auf, spurte zwischen Bett und Fenster seines Hotelzimmers hin und her wie ein Kojote und vermied es, einen weiteren Blick auf den Monitor zu werfen. Warum holte er nicht seine Pistole aus dem Koffer, stürmte in das Yeti-Zimmer und rammte sie diesem widerlichen Casanova in die Rippen? Warum hielt sich eigentlich seine Wut in Grenzen, obwohl er doch genug Grund hätte auszurasten?
Die Antwort auf die Frage war nicht angenehm: Weil er sich in dem Yeti erkannte. Weil er selbst sich in der Vergangenheit einige Male genauso verhalten hatte.
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25.
Roberto hielt ein Streichholz an einen getrockneten Ginsterwedel, der mit Leichtigkeit Feuer fing und knisternd und fauchend blaue Flammenzungen ausspie. Die ätherischen Öle im Ginster sorgten für eine sehr hohe Temperatur, sodass die harzigen Kiefernspäne, die Roberto als Nächstes in den Warmwasserboiler schob, ebenfalls leicht entflammten. Da sie etwas langsamer brannten, lieferten sie die Grundhitze für die Buchenäste und die kurzen Eichenscheite zum Schluss. Bis das gesamte Wasser in dem alten Kupferboiler heiß genug war für ein Bad, würde es mindestens dreißig Minuten dauern. Auf jeden Fall wollte er ein Bad nehmen, bevor Malpomena kam.
Roberto fühlte sich wie ein fliegender Teppich, der eigentlich der Meinung ist, dass Teppiche nicht fliegen können. Für ihn war Malpomena nie etwas anderes gewesen als ein Freund, ein compagno , ein Gefährte, der zufällig weiblichen Geschlechts war. Als Frau hatte er sie in den fast dreißig Jahren, die er sie kannte, niemals gesehen. Im Gegensatz zu ihrer Schwester Talia, die mit ihrer provokanten Art, ihm körperlich nahe zu kommen, seine Hormone schon des Öfteren zum Zirkulieren gebracht hatte. Auch in Raffaella sah er hin und wieder hinter ihrer beherrschten Ruhe eine attraktive Frau. Und, wenn er ehrlich war, selbst Antonia mit ihrer Phobie vor Körperlichkeit war für ihn noch mehr eine Frau als Malpomena.
Bislang. Doch plötzlich hatte sich das verändert. Oder besser: Es hatte sich verschoben. Wenn er jetzt an Malpomena dachte, sah er nicht mehr nur das vier Jahre jüngere, etwas skurrile Mädchen, das er auf dem Schulhof gegen die Hänseleien und manchmal sogar gegen die Handgreiflichkeiten der anderen in Schutz genommen hatte. Er sah auch nicht die ständig deprimierte, mit dem Leben hadernde angehende Medizinerin, die sich in einem Mausoleum wohler fühlte als in einer Diskothek. Plötzlich, seit wann eigentlich, hatte Malpomena Hüften bekommen, einen Busen und reizvolles, flaumiges Haar an den Schläfen. Oddio , was war da schiefgelaufen?
«Finger weg!», ertönte Donna Domenicas schrille Stimme aus der Küche und riss Roberto aus seinen Gedanken. Er hatte sich verpflichtet gefühlt, sich um die Schuhverkäufer-Exgattin zu kümmern. Wie er vermutet hatte, war sie von Malpomenas Wohnung aus die wenigen Schritte zum Albergo San Domenica gelaufen und hatte sich dort in einem Einzelzimmer verbarrikadiert. Also hatte er sie in sein Auto gepackt und hierhergebracht.
In der Küche herrschte eine Atmosphäre wie an der Grenze zwischen Nord- und Südkorea. Im Kamin brannte ein Höllenfeuer, das den Raum wie ein römisches Dampfbad aufheizte. Franco stand vor Donna Domenica und zeigte vorwurfsvoll mit einer Gabel auf das Einmachglas voller Artischocken, das sie an ihre Brust drückte.
«Warum kann ich mir nicht ein paar nehmen?»
Donna Domenica trug das Glas zum Küchentisch. «Mach dir selber was zu essen. Ihr Kerle seid doch alle gleich. Sobald eine Frau im Raum ist, glaubt ihr, die müsste euch bekochen, die Socken waschen und sonst was!»
Franco folgte
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