Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
ihr mit vorgereckter Gabel. «Ich will nicht, dass Sie meine Socken waschen. Ich will einfach nur ein Stück Artischocke essen.»
Roberto atmete tief durch und durchschritt die Küche, ohne die beiden zu beachten. Er musste sie unbedingt für diesen Abend loswerden, womöglich sogar für diese Nacht – ein Schauern durchflutete ihn, wer wusste denn schon, wie lange das mit Malpomena dauern würde …
Nebenbei, wann war er eigentlich das letzte Mal mit einer Frau zusammen gewesen? Vor einer kleinen Ewigkeit. Die Frauen in seinem Alter waren meistens verheiratet, was zwar nicht bedeutete, dass einige nicht bereit gewesen wären für ein kleines Abenteuer, aber aufgrund seiner leidvollen Erfahrung mit Maria fiel das Roberto schwer, er müsste an den ahnungslosen Ehemann denken. Am leichtesten hätte er es mit alleinstehenden Frauen, nur wollten die in der Regel alles Mögliche, nur nicht alleinstehend bleiben, und deswegen ließen sie nichts unversucht, einen einmal gefangenen Fisch nicht mehr von der Angel zu lassen. Da waren unangenehme Auseinandersetzungen und üble Nachrede vorprogrammiert. Und die ganz jungen Mädchen? Die sah er zwar, aber sie sahen ihn nicht. Vorbei, vorbei.
Draußen hatte ein feiner Nieselregen eingesetzt. Roberto klopfte an Osvaldos Tür. Dreimal, viermal. Drinnen brannte Licht.
«Was gibt’s?», tönte es endlich.
«Mach auf, camoscino . Ich brauche deine Hilfe.»
Hinter der Tür hörte er ein Tuscheln, das vor allem aus Ivanas volumenreicher Altstimme bestand.
«Bist du taub? Mach auf.» Roberto hörte am Tonfall, dass Ivana Osvaldo letzte Instruktionen erteilte, bevor dieser die Tür öffnete. Einen Spaltbreit.
«Roberto», sagte Osvaldo.
«Osvaldo», erwiderte Roberto und drückte gegen die Tür, die schon nach wenigen Zentimetern auf einen weichen Widerstand traf. Ivana. Sie stand hinter der Tür. Mehr musste sie nicht tun. Das genügte.
«Eh, was soll das? Muss ich mit dir auf der Straße reden? Im Regen?»
«Ist gerade schlecht.»
Roberto überlegte, ob er ein wenig über Ivana und ihren unseligen Einfluss auf seinen cugino herziehen sollte, entschied sich jedoch dagegen, wichtiger war, Donna Domenica und Franco für diese Nacht loszuwerden. In Osvaldos Haus gab es eine Menge ungenutzten Platz. Für ihr tägliches Leben genügte den beiden die Küche mit ihren supermodernen Einbauteilen, in der Ivana das Sagen hatte, das Schlafzimmer mit einem riesigen Bett, in dem Ivana ebenfalls den Ton angab, und das Wohnzimmer mit der gigantischen Heimkinoanlage, über deren Fernbedienung Ivana ebenfalls mit unnachgiebiger Härte regierte. Der einzige Ort, an dem Osvaldo das Gefühl einer gewissen Freiheit ausleben konnte, war die Toilette, wo er täglich in exzessiv langen Sitzungen die Gazetta dello Sport von vorne bis hinten las.
«Ich brauche für Franco Varese und Donna Domenica einen Platz zum Schlafen. Heute Nacht.»
«Geht nicht.»
«Muss. Ich meine es ernst, Osvaldo.»
«Bou.»
Roberto meinte ein Wispern hinter der Tür zu hören. Der camoscino bekam für einen Moment einen glasigen Blick. «Auch morgen oder übermorgen nicht», ergänzte er.
« Cazzo , Osvaldo! Was soll das? Willst du dir Schwierigkeiten einhandeln?»
Osvaldos Augen flackerten nervös. « Senti , Roberto. Wir haben zu tun.»
«Tut, was ihr wollt. Sperrt die beiden in ein Zimmer. Ist mir egal. Aber sie müssen raus aus meinem Haus.»
Osvaldo schüttelte den Kopf. «Ein andermal.»
«Nein, jetzt, heute.»
Osvaldos Gesicht bekam etwas Zitroniges, seine Oberlippe zuckte. Roberto signalisierte: Steht Ivana hinter der Tür? Osvaldo nickte hektisch. Roberto ließ sich Zeit.
«Hör zu, Osvaldo. Cugino . Wie wäre es, wenn ich als Poliziotto der Polizia Municipale dein Leben mal ein wenig aufmische? Eh? Hast du eine Vorstellung, was das bedeutet?»
Osvaldo begann, nervös herumzutänzeln. «Eine Idee», stieß er hervor und bemühte sich, Ivanas Zischen und Flüstern zu ignorieren.
«Die muss verdammt gut sein, camoscino .»
«Frag Thilo.» Osvaldo deutete hoch auf das Haus des Deutschen. «Der hilft gerne. Ist nett, der.»
Roberto gelang es gerade noch, sich zu beherrschen. Osvaldos Panik, vor allem seine Angst vor seinem 115-Kilo-Schnullerchen, rührte ihn. Er wandte sich um und warf einen Blick auf das Haus seines Erzfeindes. Unten in der Cantina brannte Licht, und ein hin und her schwebender Schatten ließ Grubers Anwesenheit vermuten. So weit kam es noch, dass er diesen teutonischen
Weitere Kostenlose Bücher