Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Mörder zustach, aber schon nach wenigen Stichen wusste sie, dass das Opfer nicht mehr zu retten sein würde.
Der Mörder richtete sich auf und horchte in die Dunkelheit. Wusste er, dass sie hier irgendwo sein musste? Sie hatte nichts dabei, was als Waffe dienen könnte, kein Skalpell. Nicht einmal einen Stein konnte sie auf dem Boden um sich herum ertasten. Doch dann bückte der Kräftige sich, wischte in aller Seelenruhe das Messer an der Jacke seines Opfers ab, steckte es ein und leerte anschließend die Taschen des Toten. Er richtete sich auf. Noch einmal witterte und horchte er. Malpomena hielt den Atem an. Dann machte er sich auf den Weg, an der Westfassade des Palazzo Ducale entlang, und nahm die Treppe unterhalb der beiden Türme hinunter auf den Corso Garibaldi.
Malpomena flankte über die Brüstung und beugte sich zu dem Opfer hinunter. Kein Puls, kein Lebenszeichen, aber sehr viel ausgelaufenes Blut. Keine Chance, ihn zu retten. Sie zog ihr Handy hervor und wählte Robertos Nummer. «Malpomena hier. Ein Mord unterhalb der beiden Türme des Palazzo Ducale», flüsterte sie und legte sofort wieder auf. Dann zog sie ihre Schuhe aus und folgte dem Täter. Später fragte sie sich, welcher Teufel sie geritten hatte, aber in diesem Moment wollte sie nichts anderes als sich vergewissern, wer dieser brutale Mörder war – oder genauer gesagt, sie wollte sich vergewissern, dass es sich um keinen Golem handelte.
«Wenn ich es dir doch sage! Bei der Synagoge war er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.»
«Hast du ihn hineingehen sehen?», fragte Roberto.
«Er bog in die Via Stretta ab, da, wo der Eingang ist. Sekunden später werfe ich einen Blick um die Ecke, und er ist verschwunden. Nicht einmal Schritte habe ich mehr gehört. Als hätte er sich in Luft aufgelöst. Da war nichts außer –», Malpomena zog ein Plastikbeutelchen aus der Gesäßtasche ihrer Jeans und hielt es Roberto hin. Der drückte Malpomenas Hand nach unten, damit es keiner der Anwesenden sehen konnte.
«Lehm?»
Sie nickte. Er erschrak und widerstand nur mit Mühe der Versuchung, ein wenig Friedhofserde über das Tütchen rieseln zu lassen. Er wollte den schrecklichen Streit mit Malpomena nicht noch nachträglich befeuern.
Die beiden standen bei Toto, der alle Hände voll zu tun hatte, alle seine unerwarteten Gäste zu bedienen. Brozzi und seine Verschwörungsapologeten, aber auch aufgeschreckte Urbinati waren darunter, die normalerweise zu so später Stunde friedlich in ihren Betten schlummerten. Nach ihrer Verfolgungsjagd hatte Malpomena erneut Roberto angerufen und sich dafür dummerweise ausgerechnet unter der kleinen Treppe versteckt, die zur Wohnung des Rahmenmachers Sabatini führte, der wieder einmal schlaflos an seinem Fenster hing und so mithörte, wie sie den Mord und die Flucht des Mörders wortreich schilderte. Sabatini hatte daraufhin sofort Brozzi angerufen, und von da an verbreitete sich das Gerücht, dass der Golem wieder zugeschlagen hatte, in Windeseile über die ganze Stadt. Irgendjemand hatte sogar Rabbi Shlomo informiert, der vor Wut vibrierend herbeigeeilt war. Sofort war es zwischen ihm und Brozzi zu einem heftigen Streit gekommen. Der Rabbi weigerte sich prinzipiell, sein Gotteshaus aufgrund dieser, wie er sagte, lächerlichen Lügengeschichte für eine Hausdurchsuchung zu öffnen, was Brozzi zu weiterem Schwadronieren über eine jüdische Verschwörung veranlasste. Unversöhnlich hatten die beiden sich gegenübergestanden und angebrüllt, bis der Rabbi von einigen Glaubensbrüdern an einen Tisch in der Ecke der Bar bugsiert wurde, wo sie berieten, wie sie mit der Situation umgehen sollten.
Roberto hatte seinen Chef Cottelli zu Hause angerufen und herbeizitiert. Dienstanweisung von der di Stato an die Municipale. Cottelli war darüber fuchsteufelswild geworden und wäre ihm fast an die Gurgel gegangen, als er endlich mit Battistelli und einem weiteren agente am Tatort auftauchte, aber letztlich war er machtlos und musste spuren. Roberto hatte nun mal zurzeit die Weisungskompetenz. Die Feuerwehr installierte vier Lichtmasten, ein Spurensicherungskommando der Carabinieri wurde herbeigerufen, das eine Ewigkeit brauchte und aus nur einem müden Beamten bestand. Malpomena hatte es sich nicht nehmen lassen, die Leiche aus allen Blickwinkeln zu untersuchen und zu fotografieren.
Robertos Nerven vibrierten. Eine Situation wie diese war ihm zu komplex, zu unübersichtlich. Mehrfach hatte er versucht, Pretoro
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