Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Galdroni zu erreichen. Vergeblich. Nicht einmal die Mailbox war aktiviert. Offenbar meinte es der commissario mit seinem Feldzug in Hintertux todernst.
«Malpomena, du Arme!» Talia tippelte hinter Fidel her, der mit großer Ruhe und der Kraft eines Schneepflugs durch die aufgeregte Menge furchte, gefolgt von Antonia und Raffaella. «Wie furchtbar! Wir haben schon alles gehört!»
«Es war grauenhaft», sagte Malpomena mit dumpfer Stimme. «Ich spüre das Korsett meiner Traurigkeit. Es ist fest und steif.»
«Sogar die Oma weiß Bescheid, sie ist sehr besorgt», sagte Antonia, nachdem sie für einen Moment ihren Seidenschal von ihrem Mund heruntergezogen hatte.
«Mit Recht», sagte Roberto, «Malpomena hätte sich niemals derart in Gefahr bringen dürfen.»
«Na ja, Oma ist eher wegen des Golems besorgt», erwiderte Antonia.
«Golem, Golem!», rastete Roberto aus. « Porca puttana! Es gibt keinen Golem!»
Plötzlich war Stille in der Bar. Alle Blicke wanderten zu Brozzi.
«Es wird Zeit, dass dieser Poliziotto ins zweite Glied zurücktritt, bis er die Tatsachen sieht, wie sie sind», sagte Brozzi mit eiskalter Arroganz. Die Seinen nickten, murmelten böse Worte und rückten enger zusammen. Fast erschien es Roberto, als rückten sie auch ein wenig auf ihn zu.
«Die einzige Tatsache, die ich sehe, ist deine grenzenlose Blödheit, Brozzi», erwiderte er.
«Gilberto Sabatini hat den Mörder beschrieben: gewaltige, zum Morden geschaffene lehmfarbene Hände. Ein markantes, verzerrtes, lehmfarbenes Gesicht mit einer Hakennase, die mehr dem Schnabel eines Adlers ähnelt als einer normalen menschlichen Nase. Ein Gesicht voller Niedertracht. Woran denkt ihr da, meine Freunde?»
«An einen vierschrötigen Idioten wie dich», knurrte Roberto.
«Hört ihr? Die Herren Polizisten beugen ihr Haupt, statt den Gegner die Knute spüren zu lassen.»
«Blödsinn! Sieh dich um. Die Ermittlungen laufen. Niemand beugt hier sein Haupt.»
«Du stellst dich gegen die Bürger von Urbino, Poliziotto, Bürger, die ein Recht darauf haben, beschützt zu werden. Du bist ein Steigbügelhalter der jüdischen Verschwörung. Du bist ein Stachel im Fleisch derer, die die Wahrheit kennen. Aber ich sage dir: Wenn du nichts unternimmst, werden wir das selber in die Hand nehmen.»
Für einen Moment herrschte atemlose Stille. Außer Egidio Cecchetti, der hündisch nickte, wirkten Brozzis Anhänger jetzt ein wenig verunsichert. Selbst in die Hand nehmen, das war etwas anderes als die Köpfe zusammenstecken und ein wenig herumschwadronieren.
Roberto spürte die winzige Lücke. Er machte ein paar Schritte auf Brozzi zu. « Ascolta , Brozzi, wenn du in dreißig Sekunden noch da bist, sperre ich dich zu Spartaco Mori in die Zelle.»
Brozzi baute sich vor Roberto auf. «Wenn du mich anrührst, werden wir dich aus der Stadt fegen. Jetzt ist Schluss mit der Nachsicht.»
Cazzo , was jetzt, dachte Roberto. Offenbar ließ Brozzi sich nicht einschüchtern. Vielleicht sollte er noch einmal seine Pistole ziehen.
«Herrrr Brrrozzi», hörte er Fidels Stimme, der zielstrebig auf den Rentner zuging, dessen Arm packte und auf den Rücken drehte. «Kommen Sie, wirrr gehen ein wenig spazieren, und ich erzähle Ihnen von meiner Kindheit auf Kuba, okay?» Er schob den über die Härte des Griffes erschrockenen Rentner vor sich her nach draußen. Die Seinen warfen sich verunsicherte Blicke zu.
«Geht nach Hause, Leute», sagte Roberto. «Hier gibt es nichts mehr zu erleben. Und entspannt euch. In ein paar Tagen ist der Fall geklärt.»
Grummelnd, aber irgendwie auch erleichtert zahlten sie bei Toto ihre Rechnungen, zu dessen Freude verzichteten viele auf ihr Wechselgeld und machten sich möglichst schnell davon.
«Wie kommst du darauf, dass der Fall in ein paar Tagen geklärt ist?», fragte Malpomena, als die Bar wieder bis auf sie und ihre Schwestern leer war.
Roberto zuckte mit den Schultern.
«In ein paar Tagen hat Brozzi die Leute so weit, dass sie tatsächlich Schwierigkeiten machen», sagte Raffaella.
«Das sieht nicht gut aus», sagte Rabbi Shlomo, als er und die Seinen die Bar verließen. «Ganz und gar nicht gut.»
Roberto konnte beiden nur recht geben. Ganz gegen seinen metabolischen Typus verordnete er sich ab jetzt Tag- und Nachtschichten, um den Täter so schnell wie möglich zu überführen.
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28.
Am nächsten Vormittag – Roberto hatte nur ein paar Stunden geschlafen, schwer und traumlos, wie tot, und nur weil er
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