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Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Titel: Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli T. Swidler
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Wer ist dieser Arepo? Welche Räder? Und warum hält er sie an? Und dann auch noch mit Mühe?»
    «Es geht um die Schutzwirkung gegen böse Mächte», zitierte Roberto Lana Ferrea, die ihm das Palindrom als Antwort auf Grubers Auftauchen empfohlen hatte. «Und die beruht einerseits auf der magischen Verzahnung der Wörter, die in alle Richtungen lesbar sind, und andererseits auf der quadratischen Geschlossenheit des Buchstabengeflechts, die gleichsam die Unangreifbarkeit des von der Formel geschützten Hauswesens beschwört.»
    «Aha.»
    Beide schwiegen für einen Moment.
    «Und was ist, wenn das Böses durch irgendein Fenster auf der Rückseite deines Hauses einsteigt? Wenn es gar nicht über diesem famosen», sie lachte unnatürlich laut, «Zauberquadrat des Weges kommt?»
    «Das ist symbolisch gemeint», entgegnete Roberto. Malpomena konnte manchmal wirklich nervig sein.
    «Du frönst einem Hokuspokus, der absolut abenteuerlich ist, mein Lieber.»
    «Und du machst dich seit mindestens zwanzig Jahren darüber lustig, statt wenigstens ein Mindestmaß an Toleranz an den Tag zu legen.»
    «Ich bin tolerant und lasse dich. Ich muss mir nichts vorwerfen.»
    «Tolerant? Du? Es vergeht doch kein Tag, an dem du mir nicht vorhältst, welche Irrungen ich –»
    «Also, wenn etwas nicht stimmt, dann das. Du hingegen, du behandelst mich immer wie jemanden, der nicht in der Lage ist, einen geraden Weg zu erkennen.»
    «Immer? Immer?»
    «Ja, immer. Nur weil du mich in der Grundschule –»
    «Jetzt komm mir nicht damit. Damals war ich gut genug, dich aus den Fängen von Marco, Gabriele, Bordo und, wie hieß er noch –»
    «Alfredo.»
    «Nein, der hieß anders.»
    «Alfredo!»
    «Also gut, dann eben aus den Fängen von Alfredo zu befreien. Und heute? Heute –»
    «Du kannst keine sachliche Kritik vertragen. Das ist es doch.»
    «Sachlich? Wie waren denn deine Worte? ‹Unsinn›. ‹Hokuspokus›. Was ist denn daran sachlich?»
    «Metaphern. Symbole. Zuspitzungen. Mehr doch nicht. Herrgott noch mal, sei doch nicht so entsetzlich empfindlich! Wenn ich ebenso empfindlich wäre, müsste ich mich erschießen.»
    «Erschießen?»
    «Ah! Ich verstehe. Du meinst, das wäre für mich sowieso das Beste.»
    «Wann habe ich das denn –»
    «Außen der sanfte Mann und im Inneren ein blutrünstiger Macho!»
    «Blutrünstig? Ich? Das muss ich mir wirklich von niemandem sagen lassen!»
    «Typisch. Wenn’s den Nerv trifft, dann flüchten sich die Herren der Schöpfung in die Ohnmacht. Aushalten? Standhalten? Pah, Fehlanzeige.»
    «Ohnmacht? Ich bin hellwach und stehe immer noch hier.»
    «Du vielleicht, aber ich nicht mehr!» Malpomena packte ihre Tasche und warf sie sich über die Schulter. Deren Gewicht ließ sie für einen Moment taumeln.
    «Aha, und wer flüchtet jetzt? Ich oder du?»
    «Eine Flucht ist per definitionem das ungeordnete, teilweise panische Zurückweichen vor einem Feind, einer Gefahr oder einer Katastrophe, beispielsweise einer Naturkatastrophe.»
    «Wenn einer eine Katastrophe ist, dann du.»
    «Ich hingegen befinde mich in einer geordneten Absetzbewegung. Das ist etwas völlig anderes.» Malpomena drehte sich um und stapfte hinaus in den Regen. «Etwas völlig anderes!»
    Roberto knallte die Tür hinter ihr zu. Kalk rieselte von der Wand. Sein Blick fiel auf das fast fertiggestellte Mosaik. Viel fehlte nicht mehr, damit das Palindrom seinen vollen Schutz entfalten konnte, nur die letzten drei Buchstaben unten rechts. Er krempelte die Ärmel hoch.

[zur Inhaltsübersicht]
    27.
    Der Nieselregen hatte sich verdichtet, Nebel war wieder aufgekommen, und beide schluckten das Licht der wenigen Straßenlaternen bis auf einen schummerigen Rest. Malpomena hatte keinen Schlaf finden können und wandelte schon seit Stunden durch die Straßen, vorzugsweise die engen, die mancherorts so dunkel waren, dass sie sich sogar mit einer Hand an den Hauswänden entlangtasten musste. Die Vorstellung, von jemandem gesehen zu werden, wie sie ziellos durch die Nacht strich, wie ein Kojote, wie eine streunende Katze, wie eine Untote, behagte ihr ganz und gar nicht. Als sie die mit Laternen reichlich bestückte Piazza Rinascimento an der südöstlichen Seite des Palazzo Ducale erreichte, überquerte sie den langgestreckten Platz mit schnellen Schritten und tauchte erleichtert wieder in die Dunkelheit der Viale Salvalai ein, um dort erneut in eine nachdenkliche Langsamkeit zu verfallen.
    Der Ablauf des Abends bei Roberto, ach was, der ersten

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