Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
zwei Wecker und auch noch sein Handy gestellt hatte, war er überhaupt wach geworden – befragte er als Erstes die Alberghi in und um Urbino und wurde schnell fündig. Der Tote hieß Ernesto Quatriglio und hatte sich für die nächsten zwei Wochen in der teuersten Suite im teuersten Hotel von Urbino eingemietet, dem Albergo San Domenico gleich gegenüber dem Palazzo Ducale. Er lebte in dem winzigen Örtchen Monte Merano in der Toskana, wo er als Kellner in einer Osteria arbeitete. Was er in Urbino gewollt hatte, war unklar. Seine Suite war durchwühlt worden, in seinem Aktenkoffer lagen nur leere Dokumentenmappen, und es gab keine persönlichen Papiere. Nichts, was etwas über ihn erzählen konnte.
Malpomena hatte noch in der Nacht seine Leiche obduziert und zur Präsentation ihrer Ergebnisse sowohl Roberto als auch ihre drei Schwestern in Totos Bar gebeten, Letztere vordergründig als seelische Unterstützung nach dem nächtlichen Schock, einen Mord miterlebt zu haben, in Wahrheit jedoch, weil sie mit Roberto nicht allein sein wollte.
Was die Todesursache betraf, war die Obduktion natürlich überflüssig gewesen, aber als hätte sie es geahnt, entdeckte sie über die Messerstiche hinaus bei dem Kellner dieselben Verletzungen wie bei Ruggero Grilli: Schläge in die Niere, auf die Nase und gegen den Kehlkopf. Damit bekam Thilo Grubers Hinweis auf eine möglicherweise professionelle Einschüchterungsstrategie größeres Gewicht, vor allem in Zusammenhang mit den Worten, die Malpomena den Kellner zu seinem Mörder hatte sagen hören: «Du hast doch, was du wolltest!»
«Es muss bei beiden irgendetwas zu holen sein, sonst hätte es diese Angriffe nicht gegeben», sagte Malpomena.
«Schutzgelderpresser? Wohl kaum», sagte Antonia und betrachtete mit großem Argwohn Totos Versuche, die Theke mit einem feuchten Tuch zu säubern, ohne ein desinfizierendes Reinigungsmittel zu benutzen. «Was soll denn bitte sehr bei einem Kellner aus einer Kleinststadt-Osteria, ihr wisst, was ich meine, und bei dem Besitzer eines doch eher untergradigen Albergo zu holen sein?»
Malpomena gähnte ungeniert und ignorierte Antonias missbilligendes Kopfschütteln.
«Die Lehmspur, die der Mörder hinterlassen hat, vom Tatort bis zur Synagoge, gibt mir zu denken», sagte Raffaella. «Hat es so etwas auch im Zusammenhang mit Ruggero Grillis Tod gegeben?»
«Nein», erwiderte Roberto. «Franco hat nur ein winziges Lehmklümpchen gefunden.»
«Aber jetzt gab es eine richtige Lehmspur, d’accordo ?»
Roberto nickte. «Kann man so sagen.» Er war die Strecke selber heute Morgen abgeschritten und hatte insgesamt neun deutliche Lehmhäufchen in fast regelmäßigen Abständen gefunden. Als hätte sie jemand absichtlich platziert.
«Und in Zusammenhang mit den, ich sage mal, anderen Golems? Dem, der Domenica Galeotti angegriffen hat, und dem, der diesen verjagt hat?»
«Nichts. Weit und breit kein Lehm.»
«Merkwürdig.»
Talia räusperte sich umständlich und warf Fidel einen fragenden Blick zu. Der nickte ein wenig zerknirscht. «Ihr Lieben!», rief sie gut gelaunt. «Wollt ihr eine lustige Geschichte hören?»
«Deine Liebesabenteuer, Werteste, solltest du dir vielleicht für einen anderen Anlass aufheben.» Malpomena bedachte Talia mit einem finsteren Blick, in dem auch die Erinnerung an den furchtbar entglittenen Abend mit Roberto mitschwang.
«Eine Beichte, Malpomena! Gefällt dir das besser?»
«Wenn du keine Absolution erwartest», murrte Malpomena. «Die Perlen eines Rosenkranzes wären bei dir vom heftigen Gebrauch schon vollkommen flach geschliffen.»
«Lass sie doch», ging Antonia dazwischen, «ich gehe davon aus, dass Talia in einem solch dramatischen Moment nichts sagen wird, was nicht unmittelbar, ja was vielleicht sogar signifikant zur Aufklärung dieses doch in seinen Facetten sehr komplexen Falles beitragen kann. Drum, Talia, fahre fort, wir werden dir mit großer Konzentration zuhören.»
«Ostia» , stöhnte Malpomena. Nur Raffaella zeigte keinerlei Reaktion. Sie als Jüngste hatte schon früh gelernt, sich nicht an den teilweise schwierigen Eigenschaften ihrer Schwestern zu reiben, sondern sie einfach durch sich hindurchfließen zu lassen und am Ende ausschließlich das zu tun, was sie wollte.
«Er hier», Talia zwickte Fidel in seinen Sixpack-Bauch, «war der eine Golem!»
Erstauntes Schweigen, das Talia und Fidel mit einem gutgelaunten Grinsen füllten.
«Wir waren in Sorge, weil Roberto bei mir drei
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