Der Portwein-Erbe
Weingut. Der deutsche Winzer Meyer-Näkel von der Ahr steckt da mit drin. Es ist die Quinta da Carvalhosa.
Arbeiten Sie mit denen zusammen?«
»Ich wusste gar nicht, dass hier ein deutscher Winzer lebt.«
»Soweit ich weiß, lebt er nicht hier. Er hat seine Leute auf der Quinta und einen Önologen, die sich darum kümmern. Dann kennen
Sie auch seine Weine nicht?«
»Ich weiß nicht einmal genau, was ich alles im Keller |281| habe«, murmelte Nicolas, ohne zu bedenken, welche Schlüsse der Weinjournalist daraus ziehen konnte, aber der schwieg und achtete
auf die Löcher in der Piste. Nicolas sah ihn von der Seite an. Meyenbeeker war Anfang bis Mitte 40, hinter dem Steuer des
Wagens wirkte er groß, wenn auch nicht gerade athletisch, und kaum schaute Nicolas ihn an, blickte Meyenbeeker zurück, als
hätte er den Blick gespürt. Seinen Augen entging nichts, nicht das kleinste Schlagloch. Sicher lag es an seinem ständigen
Aufenthalt in den Weinbergen, dass er gesund und erholt aussah, als käme er gerade aus dem Urlaub.
»Sind Sie schon länger am Rio Douro unterwegs?«, fragte Nicolas, nachdem er Meyenbeeker einen Überblick über seine Weinberge
verschafft hatte.
»Drei Tage, aber es ist nicht die erste Reise. Ich war bereits vor drei Jahren hier, und im letzten Jahr, allerdings war ich
da mehr im Süden, im Alentejo und auf Madeira, ich war gerade aus Chile zurückgekommen . . .«
»Da waren Sie auch? Und Sie kennen sich mit all den Weinen aus?«
»Mehr oder weniger«, sagte Meyenbeeker, »aber eigentlich bin ich Rioja-Fan, außerdem arbeitet meine Freundin dort.« Er wandte
sich Nicolas zu. »Sie leben ganz allein hier?«
»Mehr oder weniger«, sagte Nicolas und dachte mit Ingrimm an die Menschen, die tagsüber die Quinta bevölkerten. Er war froh,
wenn sie gingen. »Meine – Freundin kommt in wenigen Tagen . . .« Nicolas dachte an Rita.
»Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber Winzer sind Sie nicht. Sie haben die Quinta von Ihrem Vater oder Onkel übernommen?
Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich bei meinem letzten Besuch mit einem wesentlich älteren Herrn zu tun, mit Friedrich
Hollmann. Und es gab noch einen Portugiesen, ich habe mir seinen Namen gemerkt, weil er die Hauptperson in einem Shakespeare-Drama
ist, |282| Othello. Ich fand den Namen unpassend, Ihr Otelo ist viel zu klein. Gibt es den auch nicht mehr?«
»Doch, der hat was in Lissabon zu erledigen«, sagte Nicolas ausweichend. »Das Weingut habe ich tatsächlich von meinem Onkel
übernommen, er ist im April verstorben. Ich kümmere mich einstweilen um alles.« Für Nicolas war das Thema beendet, mehr Worte
wollte er darüber nicht verlieren.
Nach dem Mittagessen, zu dem er Meyenbeeker ins »D.O.C.« eingeladen hatte, kam ihm die Idee, sich der Dienste des Journalisten
zu bedienen. Es wäre unauffälliger, wenn Meyenbeeker an seiner Stelle einige heikle Fragen klären könnte.
»Wenn Sie schon einige Tage hier sind – waren Sie auf der Quinta do Andrade?« Es war ein Schuss ins Blaue, aber auch die trafen
manchmal.
»Die steht nicht auf meinem Besuchsplan. Ist sie zu empfehlen?«
»Ich glaube, ja«, behauptete Nicolas, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte; hoffentlich stellte er sich nicht bloß.
»Mich würde interessieren, ob die Quinta do Andrade expandiert. Könnten Sie mir einen Gefallen tun und das für mich herausfinden?
Ein wenig über den Hintergrund, Produktionsmenge, Zahl der Mitarbeiter, Umsatz, na ja, einen kleinen Überblick eben. Und ob
sie an neuen Weinbergen interessiert sind, Sie verstehen?«
»Wollen Sie verkaufen?«
Nicolas grinste. »Nein, im Gegenteil. Ich will wissen . . .«
Meyenbeeker rümpfte die Nase. »Dann soll ich Spionage für Sie betreiben?«
|283| 14.
Lissabon
Sein Herzklopfen ließ ihn nicht schlafen, und Nicolas starrte an die Decke. Draußen zeigte sich der erste Schimmer des neuen
Tages. Es würde heiß werden, sehr heiß, die Nächte brachten kaum Abkühlung. Er hatte die Klimaanlage ausprobiert. Sie hatte
ihm Erleichterung verschafft, aber leider auch Halsschmerzen, deshalb benutzte er sie nicht länger. Er hatte am Vortag zu
viel getrunken, Meyenbeeker war erst gegen ein Uhr in der Frühe aufgebrochen. Sie hatten sich ausgesprochen, was dringend
nötig gewesen war.
Der Journalist hatte zu viel von ihm und Friedrich gewusst, er konnte das unmöglich bei seinem ersten Besuch hier von Friedrich
und Otelo erfahren haben, und so war
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