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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Nicolas durch intensives Fragen darauf gekommen, wer ihn geschickt hatte. Dann war es
     einfach gewesen, den Hergang zu rekonstruieren. Dummerweise hatte Happe in seiner Sorge um Nicolas’ Gesundheit Sylvia angerufen.
     Die beiden waren über ihren Schatten gesprungen – ein einmaliger und unwiederholbarer Akt – und hatten sich getroffen, woraufhin
     Sylvia Nicolas’ Mutter kontaktiert hatte. Die wiederum hatte sich an ihren Bruder Sichel gewandt, damit der seinen Winzerfreund
     in Saint Emilion einschaltete, Martin Bongers, einen ehemaligen Frankfurter Weinhändler. Der stand in Verbindung mit Henry
     Meyenbeeker, seit der über den Mord an Bongers’ Freund Gaston Latroye |284| berichtet hatte. Und ihn hatte seine Mutter gebeten oder ihm den Auftrag erteilt, unter dem Vorwand einer Reportage hier nach
     dem Rechten zu sehen. Eine europaweite Verschwörung. Nicolas hatte Meyenbeeker, nachdem er davon erfahren hatte, vor zwei
     Tagen rausgeworfen. Er brauchte kein Kindermädchen und er hatte sich die unerwünschte Einmischung verbeten.
    Umso überraschter war er gewesen, als Meyenbeeker gestern wieder aufgetaucht war.
    »Ihr Verwalter, Gonçalves, hat Ihre Arbeiter entlassen!« Mit diesen Worten war der Journalist auf ihn zugekommen, um Nicolas
     den Wind aus den Segeln zu nehmen.
    »Das weiß ich längst«, fauchte ihn Nicolas an. »Wenn Sie gekommen sind, um mir das zu sagen, können Sie gleich wieder verschwinden.«
    »Die Weinberge werden jetzt von den Arbeitern der Quinta do Andrade gepflegt, denn der Betreiber wird Ihre Weinberge kaufen,
     die der Klassen A und B, die werden von seinen Leuten bereits nach dessen Methoden bearbeitet. Die Unterschrift unter die
     Verträge scheint eine Frage von Tagen zu sein. Wer allerdings der Verkäufer ist, wollte man mir nicht sagen. Das war’s, nur
     damit Sie es wissen. Was Sie damit anfangen, bleibt Ihnen überlassen. Alles Gute für die Zukunft. Ich habe schon mal eine
     Story über einen Winzer geschrieben, dem sein Eigensinn das Genick gebrochen hat. Der ist unter einem Stapel Paletten zu Tode
     gekommen, Genickbruch. Treppe und Bergrutsch scheiden bei Ihnen aus, das hatten wir schon. Es gibt da noch andere Möglichkeiten.«
    »Sie wissen davon?« Nicolas wandte sich ab und starrte ins Tal. Er kämpfte mit sich.
    »Glauben Sie, dass Sie sich was vergeben, wenn Sie Hilfe in Anspruch nehmen?«
    »Niemand hilft selbstlos, höchstens, um Einfluss zu gewinnen, um den Fuß in die Tür dieser Quinta zu kriegen |285| und um mir später sagen zu können: ›Ohne mich hättest du das nie geschafft.‹«
    »Wer sollte das sagen?« Meyenbeeker wirkte ungerührt, er war absolut sachlich. Wie er dachte oder was er fühlte, ob ihm die
     Angelegenheit persönlich naheging, blieb Nicolas verborgen. Vielleicht mussten Journalisten so sein.
    Erst spät in der Nacht hatte Meyenbeeker über sich geredet und darüber, was ihn nach Barcelona verschlagen und zum Aufbau
     eines eigenen Pressedienstes bewogen hatte. Da hatten sie bereits die dritte Flasche geöffnet. Meyenbeeker hatte schnell erkannt,
     welche Schätze Nicolas im Keller liegen hatte. Zuletzt war es ein Wein der Quinta da Gaivosa von 1997 gewesen. »In zehn Jahren
     weich und rund geworden, sehr kräftig, würzig, erdig und warm«, wie der Journalist ihn qualifiziert hatte. Nicolas hatte er
     einfach nur gut geschmeckt.
    Seinen Einwand, womöglich wegen äußerer Einmischung die Unabhängigkeit zu verlieren, hatte Meyenbeeker gelten lassen. Seine
     Freundin war die Tochter des Besitzers einer großen Kellerei in La Rioja, der ihm die Leitung seiner Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit
     angeboten hatte. Meyenbeeker hatte mit demselben Argument wie Nicolas abgelehnt. Das Leben war seitdem doppelt so hart, aber
     auch doppelt so interessant geworden, und er musste niemandes Weine schönreden, auch nicht die seines zukünftigen Schwiegervaters.
     Das Einzige, was ihn an Barcelona störte, war das nationalistische Getue um Katalonien, um die Sprache und das Verständnis
     von Autonomie.
    Meyenbeeker hatte sich Nicolas’ Geschichte angehört und geschwiegen. Weder hat er sich zu Mutmaßungen hinreißen lassen noch
     mir Ratschläge erteilt, dachte Nicolas und sah die Schatten der Nacht weichen. Langsam gewannen die wenigen Möbel in diesem
     spartanisch eingerichteten Zimmer Konturen. Er hätte gern länger geschlafen, aber vor der Fahrt nach Lissabon war er viel
     zu aufgeregt. Er |286| rollte sich auf die Seite, dann auf

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