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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hinwegkommen«, bemerkte Dr. Pereira ungerührt. »Seinen Freund Otelo, den
provador
, hat das meiner Ansicht nach weit mehr mitgenommen. Die beiden haben 30 Jahre täglich miteinander zu tun gehabt. Ihr Onkel
     war der Geschäftsmann, Organisator und Visionär, Otelo der bodenständige Bauer, Praktiker, Techniker, zwei völlig verschiedene
     Menschen, auch äußerlich. Otelo, müssen Sie wissen, ist einer von der ganz ruhigen, wortkargen Sorte, klein und untersetzt.
     Ihr Onkel war groß, wie Sie, laut und aufbrausend, ungestüm. Er forderte, verlangte, trieb an, Otelo vermittelte, konnte schlichten,
     war wesentlich diplomatischer.«
    Demnach schätzte Dr. Pereira diesen
provador
weit mehr |75| als Dona Madalena. Nach dem Grund würde Nicolas ihn bei Gelegenheit fragen, allerdings erst, wenn man sich näher kennen würde,
     und er erinnerte sich, dass Happe und Sylvia sich meistens aus dem Weg gingen, und wenn nicht, gab es unweigerlich »Missverständnisse«,
     besonders bei gemeinsamen Unternehmungen. Happe war ihr zu gewöhnlich. Kaum tauchte eine neue Frau auf, litten die Freundschaften
     der Männer darunter. Schade, dass Happe nicht greifbar war, mit ihm könnte er über seine Bedenken sprechen, aber der hätte
     sofort zu allem Ja gesagt, besonders bei seinem augenblicklichen Wunsch, aufs Land zu ziehen. Wenn ich wirklich sechs Monate
     hier bleibe und die Zeit für die Entscheidung nutze, dachte Nicolas, bietet sich bestimmt Gelegenheit für Gespräche mit Pereira.
     Er war ein interessanter Mann, hatte eine Revolution erlebt, die Nicolas nur vom Hörensagen kannte.
    »Ich fahre sofort rauf an den Douro. Ich sehe mir alles in Ruhe an, und in einigen Tagen teile ich Ihnen meine Entscheidung
     mit, Senhor Pereira, wären Sie damit einverstanden?«
    »Ich bin nicht dazu da, etwas zu beurteilen oder Ihre Entscheidungen zu bewerten.« Aus der Mappe mit den für Nicolas vorbereiteten
     Unterlagen nahm Pereira eine Straßenkarte, der Weg zur Quinta war bereits eingezeichnet. »Die Bestandslisten der Weine und
     die Inventaraufstellung der Firma übergebe ich Ihnen, wenn Sie klarer sehen. Es gilt auch, Vollmachten zu unterschreiben;
     ich würde Sie zur Bank und zu den Behörden begleiten, so umgehen wir Ihr Sprachproblem.«
    Nicolas wollte die Hilfe ablehnen, aber Pereira ließ es nicht zu. »Ihr Onkel hat vorgesorgt. Außerdem bin ich es ihm schuldig.
Não se preocupe
, machen Sie sich keine Sorgen.«
    Mit der Straßenkarte in der Hand trat Nicolas auf die Avenida. Er kam sich nach dem Gespräch in dieser Stadt |76| fremder vor als bei seiner Ankunft. Man hatte ihn ins Wasser geworfen, und er musste schwimmen – nur wohin? Den Rio Douro
     aufwärts, falls die Strömung nicht zu stark war. Das Experiment war der Mühe wert, allein Friedrichs wegen. Noch konnte er
     zurück, brauchte nicht einmal zur Quinta zu fahren, aber dann hätte er gar nicht zu kommen brauchen. Er überlegte, folgerte
     und verwarf, stolperte über den Platz, dachte nichts Konkretes mehr, fühlte in sich ein Chaos wachsen, lief durch fremde Straßen,
     fand den Weg zurück zum Hotel nicht mehr und kam sich unter all den unbekannten Menschen in den belebten Straßen absolut überflüssig
     vor. Lag es daran, dass er sich zwischen zwei Rollen bewegte, der des Touristen, der er nicht mehr war, und der eines Unternehmers,
     der er noch nicht war? Und was war er selbst? Ein Niemand in dieser Stadt, der nirgends hingehörte – oder doch? Den einzigen
     Ort, an dem er sich jetzt sah, war die Quinta.
    Vor dem Schaufenster eines Herrenausstatters kam er zu sich und betrachtete sich im Spiegel. Er fand sich blass und dünn und
     langweilig angezogen, vor allem das Schwarz hatte er satt. Es stand ihm nicht. Anzüge und weiße Oberhemden machten ihn alt.
     Er sah aus, als wäre er auf dem Weg zu einer Beerdigung. In gewisser Weise war er das auch. Fehlte nur der schwarze Schlips.
     IT-Typen liefen so rum. Er sollte es mal mit Farbe versuchen. Es gab schöne Hemden in der Auslage. Kurzärmelig, geknöpfter
     Kragen, das trug man hier, und das Hemd über der Hose. Er betrat das Geschäft und verließ es mit einer Jeans und einer hellen,
     erdfarbenen Hose, dazu vier kurzärmelige Hemden in kräftigen Farben. Als er noch einen Blick in den Spiegel des Schaufensters
     warf, gefiel ihm auch sein Haarschnitt nicht mehr. Streichholzlang. Er sollte sich das Haar wachsen lassen. Nur Gefangene
     und Soldaten wurden geschoren.
    Zwei Stunden später lud er vor der

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