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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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durchblicke,
     ist die Sache vorbei.«
    »Rationalisierungen, mein Freund, alles Vorwände, Ausflüchte. Der Mensch braucht immer einen Gott für seinen Kreuzzug. Lass
     dich nicht abhalten, du ... es klingelt, ich kriege Besuch, ich habe ’ne Braut kennengelernt . . .«
    Happe hätte es hier keine Woche ausgehalten, dachte Nicolas, keine drei Tage, als er schmunzelnd und ein wenig wehmütig den
     Hörer zurücklegte. Sie würden jeden Abend losziehen – Vila Real war eine Studentenstadt, 50 Kilometer |128| von hier, da war sicher was los. Vielleicht sollte er sich dort umsehen, Carlos kannte bestimmt die einschlägigen Läden. Aber
     mit dem gebrochenen Arm?
    Er rief Happe noch einmal an. »Ich brauche dringend einen Sprachkurs zum Selbstlernen.«
    »Wird erledigt, in drei Tagen hast du ihn«, versprach er. »Und wann kommt der Portwein?«
    »Mache ich, wenn ich weiß, wo das Zeug lagert.«
    »Nicht einmal das weißt du?«
    »Ich war kaum hier, da brach alles zusammen . . .«
    Kurz darauf stand er vor der Kellertür und probierte die Schlüssel aus. Es waren ungefähr zwanzig, und bis er sie mit einer
     Hand von den anderen separiert und ausprobiert hatte, dauerte es eine Weile. Es waren noch drei übrig, als ihm der Bund aus
     der Hand fiel und er von Neuem beginnen musste. Dieses Mal war es der Vierte, der passte. Er öffnete die Tür, betätigte innen
     den Lichtschalter und sah hinab ins Gewölbe. Ihm war übel.
    »Wir haben sie reparieren lassen«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm, und Nicolas ging vor Schreck in die Knie, nur das
     bewahrte ihn vor einem neuen Sturz. Hinter ihm stand der Verwalter, völlig ungerührt. »Ich habe einen Tischler kommen lassen«,
     sagte er tonlos. »Er hat die Stufen erneuert. So eine Katastrophe darf nicht wieder passieren. Ich hoffe, es war in Ihrem
     Sinne. Ich fahre jetzt nach Hause, es ist spät, bis morgen,
até amanhã

    »Ja, bis morgen«, sagte Nicolas und sah Gonçalves nach. Er wurde aus dem Mann nicht schlau. Fürchtete er um seine Zukunft,
     mit ihm als neuem Chef? Dann sollte er besser seine Unentbehrlichkeit unter Beweis stellen. Schweren Herzens und mit der Hand
     am Geländer machte Nicolas sich an den Abstieg. Das hier war der älteste Teil des Gebäudes, als einziger komplett erhalten.
     Die Kisten und Kartons unter der Treppe waren beiseite geräumt worden, die Scherben hatte man eingesammelt, der Boden war
     gefegt. Die umfangreiche |129| Sammlung der hier lagernden Weine zeigte ihm, was er zu lernen und zu probieren hätte, wenn der Wein zu seinem Geschäft würde.
     Teufel, er wollte das nicht, Friedrichs Bibliothek interessierte ihn, damit konnte er was anfangen. Doch wo er schon mal hier
     war ...
    Ein Korkenzieher lag in einem Regal, Gläser gab es auch, also – warum nicht? Welche der 1 000 Flaschen sollte er öffnen? Er
     hatte die Gewissheit, dass Friedrich diese Flaschen aufgehoben hatte, weil sie es wert waren. Aber Wein konnte schlecht werden,
     wenn er zu alt war. Er hatte in einer Weinzeitschrift eine Tabelle gefunden, aus der sich ersehen ließ, welche Weine aus welchen
     Regionen in welchem Jahr getrunken werden sollten.
    Über den Regalen standen die Namen der Länder, dann die der Anbaugebiete, der
Denominação de Origem
, kurz der D. O., wie es auf Portugiesisch hieß. Bei Argentinien lag nur eine einzige Sorte: Malbec. Das sagte ihm nichts.
     Im Fach von Australien lagen mehrere Flaschen verschiedener Erzeuger, aber alle enthielten wohl die Rebsorte Shiraz und einen
     Pinot Noir von Bannockburn. Das sagte ihm auch nichts. Das waren Namen, für ihn absolut bedeutungslos. Carmenère war auf den
     Flaschen aus Chile als Rebsorte angegeben, so jedenfalls interpretierte Nicolas die Etiketten. Der Anteil französischer Flaschen
     war groß. Hier hatte Friedrich sich die Mühe gemacht, sie nach Appellationen zu ordnen: Bordeaux, das war klar, in Burgund
     überwog Pinot Noir, und hier gab es auch viele Weißweine: Gevrey-Chambertin, Côte de Nuit und Meursault. Dann kamen die Rhône,
     Languedoc-Roussillon und die Loire.
    Bei den Italienern war es leichter, im Piemont und in der Toscana war er gewesen, wo Venetien lag, war ihm bekannt, Latium
     hieß die Umgebung Roms, während ihm Kampanien und die Basilikata nichts sagten. Spanien war für ihn sowieso ein Buch mit sieben
     Siegeln. Rioja, klar, wer kannte den Namen nicht, aber er hatte keine Vorstellung, |130| wo es lag. Utiel-Requena oder Campo de Borja? Jumilla und

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