Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)
einzige Kundin, loszuwerden, damit sie selbst sitzen konnte und warten, dass der Tag vorbeiging, so war es dennoch das Freundlichste, was Irina an diesem Tag zu hören bekommen hatte, daher antwortete sie »Danke«.
Als sie zu Ende gegessen und bezahlt hatte, beides hatte die Frau hinter dem Tresen wortlos toleriert, packte sie »Oblomov« wieder zurück in die Tasche. Keinen Satz hatte sie gelesen, aber sie wusste ja bereits, wie es zu Ende ging, indem es zu Ende ging, weil, auch wenn nichts endet, die Personen es ja doch tun. Die Adresse der Vermieterin hatte sie aufgeschrieben, gut, dass sie dieser nicht die Nummer ihres Mobilniks gegeben hatte, sonst hätte sie vielleicht, als sie nicht nach Hause gekommen war, angerufen und hätte sich besorgt gegeben. Sie würde mit dem Taxi zu dieser Adresse fahren, glaubte sie, doch es war hier nicht so einfach wie in Odessa, ein beliebiges Auto herbeizuwinken, um den Preis der Strecke zu verhandeln, daher fragte sie so lange fremde Menschen auf der Straße, wohin sie musste, bis jemand sie auf einen Bus verwies und sie, als sie das Haus wiedererkannte, ausstieg. Sie hatte recht gehabt, was die Babuška betraf, die ihr das Zimmer gegeben hatte, laut zeternd, wie besorgt sie gewesen sei, kam sie ihr im Korridor entgegen und Irina begab sich nur noch kurz ins Bad, leerte die kleine Wärmflasche, das Herz war ausgespült, und hängte sie zum Trocknen auf die Wäscheleine. Eine Blutspur, der rote Kunststoff färbte ab, zog sich vom Waschbecken bis zur Tür. Sie würde es dort lassen. Diesen gefühlsundurchlässigen Plastikbeutel, gleich ihrer eigenen bläulich verfärbten Haut. Verwunschene Herzen soll man nicht anrühren, hörte sie die Mutterstimme wieder im Kopf. Sie würde es nicht brauchen, wie sie alles andere nicht brauchen würde, sie würde zurückfahren, sie würde abreisen, sie würde zurückkehren in ihre Wohnung, hoffen, dass diese schreckliche Frau, die ihr Leben nun hatte, die Doppelgängerin, nicht zu Hause war und würde alles, was sie hatte, zusammenpacken und zum Starokonij fahren. Das möge noch so verwerflich sein, aber es reichte eben nicht, nur dem Land zu entfliehen, in dem es zu wenig Geld und zu viel zu essen gab, sie höchstens noch betrunken sein konnte, denn es gab nichts mehr zu tun, außer im September einen Präsidenten zu wählen. Und wenn sie im Grab läge, wäre da niemand mehr, der sie aufwecken konnte, höchstens wäre es noch möglich, einen Holzpfahl in ihr Herz zu treiben, das wäre einfach, weil es ja ohnehin schon gebrochen war. Sie würde alles verkaufen, was sie hatte, würde den Unrat, der ihr Leben ausmachte, loswerden, niemand sollte ihr ihr Leben nachweisen können, wenn sie es beendet hatte.
XVIII
Но миром правят собаки,
Тела населяют собаки,
В мозгах завывают собаки,
И выживают здесь только собаки.
Гражданская оборона
»Mach dir keine Sorgen, er beißt nicht«, hatte der eine Mann gesagt, und der Hund dachte überrascht: »Ich werde nicht beißen?«, stellte dabei die Ohren auf und legte den Kopf schief. »So, er beißt also nicht«, sagte der andere, zufrieden die Arme vor der Brust verschränkend. Aber der Hund entschied, dass er schon beißen würde, wenn es sein müsste. Seine Großmutter mag zwar eine Suka gewesen sein, die richtigen Hurensöhne, dachte er aber, sind diese. Denn er stieg in keine Autos, niemals. Seine Großmutter hatte man in ein Auto gesteckt, um aus ihr, der armen alten Hundedame, ein Kaninchen zu machen. In jedem Rudel in Odessa erzählte man sich die Geschichte noch, in jedem Rudel hatte sie noch Verwandte. Die Babkababaka, die in ein Kaninchen verwandelt wurde. Was es doch für Hexen und Zauberer gibt, die so etwas zustande bringen! In all unseren Familien gibt es nur monströse Geschichten. Wenn er müsste, würde er beißen, aber erst im richtigen Moment. Denn er hatte kein Kaninchenherz. Außerdem wurde ihm so schrecklich übel, wenn er in Autos fuhr. Sogar das Kettenkarussell auf der Deribasovskaja, auf das man ihn als Welpen gesetzt hatte – und tatsächlich, was für ein grüner Welpe er doch gewesen war –, war weniger schlimm gewesen als es Autofahrten sind. Auch wenn man ihn Karussellfahren hatte lassen, um ihn zu quälen, würde er ohne zu zögern wieder in den Karussellsitz steigen, ehe er in ein Auto stieg, die Nase in den Wind halten und die Fliehkraft seines Körpers genießen. Wie
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