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Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Titel: Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordula Simon
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kleine Schlagloch und jedes noch so kleine Steinchen seinen Magen erschütterte. Als er das Gefährt endlich hatte verlassen können, war er mehr gestolpert als gesprungen, in die frische Luft hinaus, und hatte sich gleich gequält auf den Rücken geworfen, eine Folter war das. Er heulte, er heulte, jaulte so laut er konnte, obwohl er sicher war, dass das Heulen nicht wirklich helfen würde. Ein Gebet für einen Sterbenden. Wenn doch einfach vor ihnen der Blitz einschlagen könnte, damit sie halten mussten. Bis auf die Knochen schüttelte ihn die Straße. Hundeelend war ihm. Er rutschte auf dem gerippten Metall hinten im Auto hin und her, die Beine zitterten schon, alle vier, für einen Hund seiner Statur waren sie eigentlich zu dünn, eine Kurve warf ihn gegen eine der Wände und er erbrach sich. Er kotzte die ganze gute Wurst aus, die ihm der Verräter vorne im Auto gegeben hatte. Wie er das Grölen von Motoren verabscheute. Auch wenn Motoren eine Notwendigkeit waren. Schließlich war auch das Herz ein Motor, der den Körper laufen ließ und manchmal rennen. Nur was das Herz antrieb, was des Motors Motor war, konnte er nicht verstehen. Wieder schlug er gegen die Wände des Autos. Da gab er auf, einstweilen, legte sich neben sein Erbrochenes, sein Bauch lag auf dem Metall auf, es rieb an seinem Fell und die gerade entleerte Wampe schlug beim kleinsten Auf und Ab des Wagens dagegen. Die Überreste der Hundstagehitze drückten auf seine Brust, ein erhitzter Nachtmahr. Mein Geist ist nicht gestorben, der zähe Geist eines Hundes. Und wenn sein Körper von der Fahrt noch so geschüttelt und gekocht sein sollte. Wenn sie hielten und die Tür sich wieder öffnen würde, dann könnte er zubeißen. Er schloss die Augen und träumte sich, soweit es sein Hundehirn schaffte, weg und fand sich auf einem Friedhof wieder. Hier war es immerhin ruhig und Nacht und etwas kühler. Zumindest war es still, bis der Kvas-Wagen vorfuhr, so ein elender Lärm, diese uralten Autos mit Kühlern wie große, fette Nasen und großen mondrunden vorstehenden Augen. Was sollte der Motorenlärm mitten in der Nacht? Aber die Toten wird es auch nicht int eressieren. Eine Frau stieg aus dem Auto. Hatte ihr denn niemand gesagt, dass es kein Weiterleben nach dem Tode gibt? Und wenn ihm, dem Hund, einer damit käme, wenn er einmal tot war, dann würde er zubeißen und den Zeitpunkt nicht verpassen. Ich halte mich an den Tod, dachte er. Er saß mit etwas Abstand, beobachtete sie. Was sie da trieb, war nicht, was die Frauen mit ihren Kopftüchern, die sonst hierherkamen, taten, ja, schon, sie kniete nieder, aber das war kein Gebet, das sie sprach. Sie flutete ein Grab und warf währenddessen mit Steinen auf ihn, ja, auf ihn, was hatte er denn getan? Kein Grund sich zu beißen, Weib. Er schlich näher, denn sie ließe es vielleicht sein, sähe sie, wie groß er war. Sie warf noch einmal, sie hatte ihn am Bein getroffen. Wieder zurück zu seinem alten Aussichtsposten, das war besser. Der getroffene Knochen schmerzte. Den monströsen Geschichten sollte man nicht zu nahe kommen, und was die Frau da trieb, da schlugen Blitze ein ins Grab, das konnte keine schöne Geschichte werden. Unschöne Geschichten gibt es so viele wie Hunde, dazu braucht es nicht auch noch einen Hund. Was winselt die Frau da? Aber immerhin, wenn sie winselte, tat sie, was üblich war an solchen Orten, so ein jämmerliches Gewinsel, und da fährt sie hin. Aber die Leiche ließ sie liegen. Was für eine Unart. Auch wir graben unsere Toten nicht aus. Solch ein Gewinsel aber auch. Was konnte so interessant an dieser Leiche gewesen sein? Wie der Gestank, der beißende Gestank von Chemikalien ihm in der Nase biss, aber da war noch ein anderer Geruch als Chemie und Verwesung, den diese Menschenleiche hatte. Auch wenn sie nicht mit Gift bestrichen würden, schmeckten sie übrigens ekelhaft. Aber diese hier roch noch ein wenig anders. Er schnupperte am Gesicht. Der Kerl lebte ja noch! Er leckte ihm über das Gesicht, wie eklig er doch schmeckte.
    Wer weiß, ob er ein Freund war, wahrscheinlich nicht. Aber auch er war nicht nach dem Fell zu beurteilen. Aus der Distanz hätte er es nicht sagen können, daher musste er ihn näher besehen. Willkommen im Freien. Was auch immer die winselnde Frau getan hat, jetzt würde es schon wieder in Ordnung kommen. Er würgte, er hatte Watte ins Maul bekommen, woher war nur die Watte gekommen? Ihm war schlecht, als führe er mit einem Auto. Ein bisschen Zuneigung

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