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Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Titel: Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordula Simon
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wird dem Menschen helfen, dachte er sich. Der einzige Weg, wie man mit einem lebenden Wesen umzugehen hat. In diesem Grab liegen also weder Mensch noch Hund begraben, los, hoch, Mensch, hier kann man nicht bleiben, sonst sammelt einen der Tod ja doch noch ein. Er entschied, dass sie langsam gehen müssten, denn sein Bein schmerzte noch von der Steinattacke. Nicht einmal geradeaus gehen konnte das magere, stinkende Menschlein, was für einen Welpen er sich hier gefunden hatte. Aber angenehm, wie er ihm seinen Kopf kraulte. Vor ihm leuchtete ein anderer Geruch und andere Geräusche, nach dem Motorenlärm und der Friedhofsstille und dem Stöhnen des Menschen war da noch ein anderes klingelndes Eulenaugenleuchten vor ihm. Der Mensch bemerkte es gar nicht, so lange gingen sie schon darauf zu, bis der Mensch endlich verängstigt stehen blieb. Noch mehr Menschen. Was für eine rege Nacht am Friedhof. Gab es einen Schatz zu heben? Der Hund wunderte sich. Er hatte keine Leckereien gerochen, aber vielleicht lag es auch daran, dass die beißende Wolke, die den Menschen umgab, alles übertönte. Die anderen Menschen würden sich nun um den Welpen kümmern, setzten ihn auf das Mäuerchen und schließlich sich alle zusammen in Bewegung. Doch ein Stück weit würde er noch mitgehen, denn die beiden, auch zwei Frauen, helle Stimmen, rochen, als gäbe es eine Belohnung für ihn, weil er den Welpen gefunden hatte. Der Tote nannte ihn Čelobaka. Menschenhund, was für eine Lüge, denn der Mensch ist dem Menschen kein Hund. Denn er war ein Hund und wusste es besser, dass er nicht zubeißen würde, wenn der andere Hund schon am Boden lag und ihm anbot, ihm die Kehle durchzubeißen. Die Menschen bissen dagegen immer. Um dann allen Hunden die Schuld zuschreiben, nur selbst so dreinzuschauen, als hätten sie nichts verbrochen. Čelobaka! Auf welcher Basis von Vertrautheit? Er sollte mich beim Namen und Vatersnamen nennen, hätte mein Vater einen Namen gehabt und ich einen besseren. Er war schon geschlagen, verbrüht und bespuckt worden, aber nun gingen sie in ein warmes Zuhause. Nicht seines, aber immerhin eines. Er war ja tatsächlich diese Nacht am Friedhof im Nachteil gewesen. Lange würde er dort nicht bleiben, denn er wusste, dass es dort immer hieß: Benimm dich. Immer nur: Benimm dich. Und recht behielt er damit. Die häutigere der Frauen, die weniger so roch, nur ein bisschen angewest vielleicht, sie musste schon alt sein, die eher nach vergrabenen Knochen aussah als der Mensch aus dem Grab, jagte ihn gleich, sobald sie angekommen waren, vom Diwan. Wusste sie denn nicht, dass das Sofa der Thron des Hundes war? Aber die andere, die jüngere, die hatte es begriffen, und als sie sich setzte, hatte er die Wurst schon längst gerochen und er war zufrieden und es war ihm sogar gleich, dass er ein bisschen sabberte, wie sein Kopf in ihrem Schoß lag, sein Kopf den Frauenkörper niederdrückte und sie ihn mit kleinen Wursträdchen fütterte. Indessen war der Tote im Nebenraum und jammerte vor Schmerzen. Vor der Hochzeit wird alles heilen, dachte der Hund dazu. Eigentlich eine Respektlosigkeit, dachte er, den Toten so im dunklen Badezimmer sitzen zu lassen, in seiner Erinnerung waren sie stets abgedunkelt, was einen eigenartigen Zustand des Geistes verursachte und wütend machte, und wäre er der Mensch gewesen, er hätte längst an der Tür gekratzt. Die Nacht war lange und alle mussten sie hundemüde sein, kein Wunder, dass sie nach draußen geschafft wurden, er und der Grabmensch. Warme Zuhause waren ja auch nichts auf Dauer und im Sommer längst nicht so willkommen wie im Winter. Vor der Tür war die Luft frisch und er entschied, noch ein bisschen bei dem Menschen zu bleiben, gar so hilflos wirkte er, stellte sich auf die Hinterbeine, stützte sich an des Menschen Brust, ihm zu sagen, wir gehen jetzt, reiß dich zusammen, als machte er es zu seinem Gebet. Auf dem Weg blickte sich der Mensch ständig nach den großen, beschrifteten Metallplatten um. Er, der Hund, hatte ja gewusst, dass es völlig nutzlos war, lesen zu lernen. Nur zwei Wörter konnte er erkennen: Šaurma und Wurst. Das reichte völlig. Hätte er dem Menschen auch sagen können. Von den achtzigtausend Straßenhunden in Odessa kennt jeder das Wort Wurst. Jetzt roch ihm der Mensch eher nach Krankenhaus. Gut, dass sie sich in keinem solchen befanden, denn dort wurde immer noch viel gelesen. Zeitungen wurden gelesen, und die Patienten fühlten sich sicher nach dem Lesen der

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