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Der Präsident

Der Präsident

Titel: Der Präsident Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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heraus, überlegte es sich jedoch wieder. Er steckte die Hände in die Taschen.
    Bei Luther Whitneys Autopsie war er dabei gewesen. Die temporäre Kaverne, der durch Gewebszerfall entstandene Hohlraum, war ernorm. Radial vom Kugelweg waren derart gewaltige Schockwellen ausgegangen, dass sich zwei Drittel des Gehirns des Mannes praktisch aufgelöst hatten. Das aus dem Sitz des Polizeiwagens geborgene Projektil versetzte sie alle in Erstaunen. Eine 460er Magnum-Patrone. Die Gerichtsmedizinerin hatte Frank erklärt, dass diese Art von Munition häufig zu Jagdzwecken verwendet wurde, insbesondere bei der Großwildjagd. Und dass von Whitneys Kopf kaum noch etwas übrig geblieben war, war kein Wunder, weil die Kugel ihn mit einer Eintrittskraft von mehr als 4000 Kilonewton getroffen hatte. Ebenso gut hätte man ein Flugzeug auf den armen Kerl fallen lassen können. Und es war während seines Dienstes passiert, vor seinen Augen, um genau zu sein. Darüber würde er niemals hinwegkommen.
    Frank schaute über die grünen Weiten der letzten Ruhestätte für über zwanzigtausend Verstorbene. Jack lehnte sich gegen den Wagen zurück und folgte Franks Blick.
    »Irgendwelche Hinweise?«
    Der Ermittler scharrte mit dem Fuß in der Erde. »Ein paar. Aber nichts wirklich Brauchbares.«
    Beide richteten sich auf, als Kate sich erhob, ein kleines Blumengebinde auf den Erdhaufen legte und dann mit leerem Blick verharrte. Der Wind hatte nachgelassen; zwar war es kalt, doch die Sonne schien hell und wärmend.
    Jack knöpfte den Mantel zu. »Und nun? Ist der Fall abgeschlossen? Verübeln könnte Ihnen das niemand.«
    Frank lächelte und beschloss, sich die Zigarette doch zu gönnen. »Keineswegs, mein Freund, keineswegs.«
    »Und was hast du nun vor?«, fragte er, jede Förmlichkeit fallen lassend.
    Seth Frank setzte den Hut wieder auf und kramte die Autoschlüssel hervor.
    »Ganz einfach, Jack. Ich suche einen Mörder.«
    »Kate, ich weiß, wie du dich fühlst, aber du musst mir glauben. Er hat dir keine Schuld gegeben. Nichts von dem hier war deine Schuld. Wie du gesagt hast, du bist unfreiwillig in das Ganze hineingezogen worden. Du wolltest es nicht. Luther hat das sehr wohl gewusst.«
    Die beiden saßen in Jacks Wagen und fuhren zurück in die Stadt. Mittlerweile stand die Sonne in Augenhöhe und sank mit jeder Meile merklich tiefer. Auf dem Friedhof hatten sie noch beinahe zwei Stunden im Auto verharrt, weil Kate nicht wegfahren wollte. Als stiege er aus dem Grab, wenn sie nur lange genug wartete.
    Sie kurbelte das Fenster einen Spalt hinunter; ein zarter Luftzug strömte herein und überlagerte den Geruch von neuem Kunststoff mit drückender Feuchtigkeit, die einen weiteren Sturm erahnen ließ.
    »Der Kommissar will den Fall nicht zu den Akten legen, Kate. Er sucht weiter nach Luthers Mörder.«
    Schließlich sah sie ihn an. »Was er sagt, interessiert mich nicht im geringsten.« Sie fasste sich an die Nase, die rot und geschwollen war und höllisch schmerzte.
    »Komm schon, Kate. Er wollte doch nicht, dass Luther erschossen wurde.«
    »Ach ja? Zuerst hatten wir einen durch und durch löchrigen Fall, der beim Prozess auseinandergebrochen wäre und alle Beteiligten, einschließlich des verantwortlichen Ermittlers, wie komplette Idioten aussehen hätte lassen. Statt dessen haben wir jetzt eine Leiche und einen abgeschlossenen Fall. Kannst du noch mal wiederholen, wofür sich unser großer Kommissar entscheiden wird?«
    Jack hielt an einer roten Ampel und sank in den Sitz zurück. Er wusste, dass Frank mit offenen Karten spielte, sah aber keine Möglichkeit, auch Kate davon zu überzeugen.
    Die Ampel schaltete um, und er schlängelte sich durch den Verkehr. Sein Blick fiel auf die Uhr. Er musste zurück ins Büro; sofern er überhaupt noch ein Büro hatte, in das er zurückkehren konnte.
    »Kate, ich glaube, du solltest im Augenblick nicht allein sein. Was hältst du davon, wenn ich ein paar Tage bei dir übernachte? Du machst morgens den Kaffee, ich bin fürs Abendessen zuständig. Ist das ein Vorschlag?«
    Jack hatte eine ebenso spontane wie deutliche Ablehnung erwartet und hatte sich bereits eine Erwiderung zurechtgelegt.
    »Bist du sicher?«
    Er schaute zu ihr hinüber; große, verquollene Augen blickten ihn an. Ihr ganzer Körper war ein einziges Nervenbündel. Als er sich die Abfolge der für sie beide tragischen Ereignisse vergegenwärtigte, wurde ihm mit einem Mal bewusst, dass er das Ausmaß der Qualen und Schuldgefühle, die

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