Der Prediger von Fjällbacka
vielleicht ist es ja sogar eine. Wir hatten nur einen Kunden in eurem näheren Umkreis. Rolf Persson, auch heute noch Kunde hier, aber natürlich nicht bei diesem Produkt. Ich gebe dir jetzt die Adresse.«
Annika notierte die Angaben auf einem Klebezettel. Es war gewissermaßen enttäuschend, daß sie nicht noch andere Namen erhalten hatte. Irgendwie wirkte es ein bißchen mager, daß man nur einen einzigen Kunden kontrollieren konnte, aber der Verkaufsleiter hatte recht, vielleicht war es eine gute Nachricht. Ein einziger Name war schließlich alles, was sie brauchten.
»Gösta?«
Sie war auf ihrem Bürostuhl zur Tür gerollt, hatte den Kopf in den Korridor gesteckt und gerufen. Niemand antwortete. Sie rief noch einmal, diesmal lauter, und wurde mit Göstas Kopf belohnt, der sich genau wie der ihre in den Korridor schob.
»Ich habe eine Aufgabe für dich. Wir haben den Namen eines Bauern aus dieser Gegend, der den Dünger benutzt hat, der an den Mädchen gefunden wurde.«
»Sollten wir nicht zuerst Patrik fragen?« Gösta widersetzte sich. Er hatte noch immer Schlaf in den Augen und hatte die ganze erste Viertelstunde vor dem Schreibtisch nur gegähnt und sich die Augen gerieben.
»Patrik, Mellberg und Martin sind bei der Exhumierung. Wir können sie jetzt nicht stören. Du weißt, weshalb es eilt. Wir können uns diesmal nicht an die Regeln halten, Gösta.«
Selbst im Normalfall war es schwer, sich Annika zu widersetzen, wenn sie diese Seite herauskehrte, und jetzt mußte Gösta zugeben, daß sie besonders schwerwiegende Gründe hatte, ihn zur Arbeit aufzufordern. Er seufzte.
»Fahr nur nicht allein. Es ist diesmal kein normaler blöder Schwarzbrenner, dem wir auf den Fersen sind, vergiß das nicht. Nimm Ernst mit.« Dann murmelte sie leise, damit Gösta es nicht hörte: »Zu irgendwas muß dieser verdammte Mistkerl doch zu gebrauchen sein.« Dann hob sie die Stimme wieder.
»Und seht zu, daß ihr euch dort vor Ort gründlich umschaut. Wenn euch irgendwas nur im geringsten verdächtig erscheint, dann tut so, als sei nichts, kommt hierher zurück und berichtet es Patrik, dann kann er entscheiden, was wir machen sollen.«
»Guck an, Annika, ich habe nicht gewußt, daß du von der Sekretärin zur Polizeichefin aufgestiegen bist. Ist das während des Urlaubs passiert?« brummte Gösta verärgert. Aber er wagte es nicht, so laut zu sprechen, daß sie es hörte. So dusselig war er auch nicht.
Wieder drinnen hinter ihrer Glasscheibe, lächelte Annika, die Computerbrille wie gewöhnlich auf die Nasenspitze geschoben. Sie wußte genau, was für aufrührerische Gedanken im Kopf von Gösta Flygare herumgingen, aber das kümmerte sie wenig. Es war lange her, daß sie seine Meinung respektiert hatte. Die Hauptsache war, er machte jetzt seinen Job und erschwerte die Aufgabe nicht unnötigerweise. Ihn und Ernst zusammen loszuschicken konnte gefährlich sein. Aber in diesem Fall mußte sie es machen, wie es die berühmte Köchin Kajsa Warg formuliert hatte: »Man nimmt, was man hat.«
Ernst mochte es nicht, aus dem Bett geholt zu werden. Da er wußte, daß sich der Chef anderswo befand, hatte er damit gerechnet, sich in aller Ruhe noch einmal umdrehen zu können, bevor seine Anwesenheit im Revier erforderlich wurde, doch das schrille Klingeln störte ihn dabei entschieden.
Vor der Tür stand Gösta, den Finger ausdauernd auf dem Klingelknopf.
»Wir haben zu tun.«
»Kann das nicht eine Stunde warten?« fragte Ernst verärgert.
»Nein, wir sollen uns einen Bauern vornehmen, der diesen Dünger gekauft hat, den die Spurensicherung an den Leichen gefunden hat.«
»Hat das dieser Scheiß-Hedström angewiesen? Und hat er gesagt, daß ich dabeisein soll? Ich habe gedacht, ich bin von seiner ganzen verdammten Ermittlung ausgeschlossen?«
Gösta überlegte, ob er lügen oder sagen sollte, wie es sich verhielt. Er entschloß sich zu letzterem: »Nein, Hedström ist mit Molin und Mellberg in Fjällbacka. Annika hat uns darum gebeten.«
»Annika?« Ernst lachte rüde. »Seit wann kann uns eine verdammte Sekretärin Anweisungen erteilen? Nein, du, dann ziehe ich es vor, noch ein bißchen zu pennen.«
Immer noch vor sich hin lachend, wollte er Gösta die Tür vor der Nase zumachen. Ein Fuß hinderte ihn.
»Du, ich finde wirklich, wir fahren dahin und checken die Sache.« Gösta verstummte und griff dann zu dem einzigen Argument, das, wie er wußte, bei Ernst ankommen würde. »Stell dir doch bloß mal Hedströms Miene vor,
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