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Der Prediger von Fjällbacka

Der Prediger von Fjällbacka

Titel: Der Prediger von Fjällbacka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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das soll angeblich nur was sein, das Ephraim ausgeheckt hat, damit es so aussieht, als ob Johannes tot ist. Das ist das Absurdeste, was ich je gehört habe!«
    Flammend rote Flecken waren auf Laines weißer Brust erschienen. Sie fummelte unentwegt an ihrer Perlenkette herum, und Linda mußte sich beherrschen, um sie ihr nicht vom Hals zu reißen und ihr diese Scheißperlen ins Maul zu stopfen.
    Gabriel räusperte sich und mischte sich mit entschiedener Stimme in die Diskussion. Die ganze Geschichte mit der Exhumierung ging ihm gegen den Strich. Sie brachte ihn aus dem Konzept und wirbelte in seiner wohlgeordneten Welt Staub auf, was ihm ganz und gar nicht gefiel. Er glaubte nicht einen Augenblick lang, daß die Polizei einen Grund für ihre Behauptungen hatte, aber nicht das war das Problem. Auch war es nicht der Gedanke, daß die letzte Ruhe seines Bruders gestört wurde, selbst wenn das natürlich keine angenehme Vorstellung war. Nein, ihm ging es um die Unordnung, die mit dieser Prozedur einherging. Särge sollten in die Erde gelassen und nicht wieder herausgeholt werden. Gräber, die einmal gegraben worden waren, sollte man nicht mehr anrühren, und Särge, die einmal geschlossen worden waren, sollten geschlossen bleiben. So hatte es zu sein. Debet und Kredit. Vollkommene Ordnung.
    »Ja, ich finde es etwas seltsam, daß die Polizei derart eigenmächtig vorgehen kann. Ich möchte nicht wissen, wie man es gedreht hat, um die Erlaubnis für so eine Sache zu bekommen, aber dem werde ich auf den Grund gehen, glaube mir. Wir leben doch schließlich nicht in einem Polizeistaat.«
    Wieder murmelte Linda etwas auf ihren Teller hinunter.
    »Entschuldige, Schatz, was sagst du?« Laine wandte sich an Linda.
    »Ich habe gesagt, solltet ihr nicht wenigstens mal daran denken, wie das für Solveig, Robert und Johan sein muß? Könnt ihr euch nicht vorstellen, was das für ein Gefühl für sie ist, daß Johannes auf solche Weise ausgegraben wird? Aber nein, ihr sitzt nur da und redet davon, wie leid ihr euch selber tut. Denkt vielleicht ausnahmsweise mal an andere!«
    Sie warf die Serviette auf den Teller und ging vom Tisch. Laines Hände fuhren wieder zur Kette hoch, und sie schien sich nicht schlüssig, ob sie der Tochter nachgehen sollte. Ein Blick von Gabriel hinderte sie daran.
    »Ja, mir ist ja klar, wo sie dieses Überspannte herhat.«
    Sein Ton war vorwurfsvoll. Laine sagte kein Wort.
    »Diese Frechheit, uns vorzuwerfen, wir würden uns nicht darum kümmern, wie die Sache auf Solveig und die Jungs wirkt. Es ist doch wohl klar, daß wir das tun, aber sie haben schließlich immer wieder gezeigt, daß sie keinen Wert auf unsere Sympathie legen, und wie man sich bettet, so liegt man …«
    Manchmal haßte Laine ihren Mann. Er saß da so selbstgefällig und aß sein Ei mit bestem Appetit. Sie stellte sich vor, wie sie zu ihm hinging, seinen Teller nahm und ihm denselben langsam gegen die Brust drückte. Statt dessen begann sie den Tisch abzuräumen.
     
    8
     
    Sommer 1979
    Sie teilten jetzt den Schmerz. Wie siamesische Zwillinge drückten sie sich aneinander in einem symbiotischen Verhältnis, das aus gleichen Teilen Liebe und Haß bestand. Einerseits lag Sicherheit darin, hier unten im Dunkeln nicht allein sein zu müssen. Andererseits entstand Feindschaft aus dem Wunsch, davonzukommen und daß es die andere sein möge, der er bei seinem nächsten Kommen Schmerz zufügte.
    Sie sprachen nicht viel. Die Stimmen hallten allzu schaurig in der Blindheit der Unterwelt. Wenn sich die Schritte von neuem näherten, fuhren sie auseinander, flohen die Haut der anderen, ihren einzigen Schutz in Kälte und Dunkelheit. Jetzt ging es nur um die Flucht vor dem Schmerz. Und sie wandten sich gegeneinander in dem Kampf, die andere zuerst in die Hände des Bösen zu geben.
    Diesmal gewann sie, und sie hörte, wie das Schreien begann. Auf eine Weise war es fast genauso schlimm, diejenige zu sein, die dem Schlimmen entgangen war. Das Geräusch brechender Knochen hatte sich ihr tief eingeprägt, und sie litt jeden Schrei der anderen in ihrem gemarterten Leib. Sie wußte auch, was nach den Schreien kam. Da verwandelten sich diese Hände, die gezerrt und gerissen, gestochen und geschlagen hatten, und legten sich statt dessen warm und zärtlich auf die Stelle, wo der Schmerz am stärksten war. Diese Hände kannte sie jetzt ebensogut wie ihre eigenen. Sie waren groß und stark, doch zugleich weich, ohne jede Unebenheit und Schrundigkeit. Die Finger

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