Der Prediger von Fjällbacka
mit frischer Energie zu Martin.
»Los, Molin, wir müssen nach Fjällbacka.«
»Aber da sind wir doch gerade hergekommen. Wohin wollen wir denn jetzt?«
»Wir werden uns ein bißchen mit Linda Hult unterhalten. Ich glaube, da gibt es was Interessantes, etwas richtig Interessantes.«
Erica hatte gehofft, daß die Gäste, genau wie die Familie Flood, sich tagsüber aufs Meer hinausbegeben wollten, so daß sie die Leute wenigstens los war. Aber sie hatte sich geirrt.
»Madde und ich sind nicht sehr fürs Meer. Wir leisten dir lieber hier im Garten Gesellschaft. Die Aussicht ist ja so wundervoll.«
Jörgen blickte froh auf die Inseln hinaus und bereitete sich auf einen Tag in der Sonne vor. Erica bemühte sich, nicht zu lachen. Er sah völlig unmöglich aus. War bleich wie eine Aspirin, und anscheinend gedachte er dieses Aussehen zu behalten. Er war von Kopf bis Fuß mit Sonnenschutzcreme eingeschmiert, was ihn noch weißer wirken ließ, und die Nase war mit irgendeiner neonfarbenen Schmiere bedeckt, die noch extra schützen sollte. Ein großer Sonnenhut vervollständigte den Look, und nach einer halben Stunde Herumwirtschaftens ließ er sich, zufrieden seufzend, neben seiner Frau in einen der Liegestühle sinken, die Erica sich genötigt gesehen hatte, für die beiden herauszustellen.
»Aaah, das hier ist wirklich das Paradies, stimmt’s, Madde?«
Er schloß die Augen, und Erica dachte dankbar, sie könnte sich für ein Weilchen verdrücken. Da öffnete er ein Auge:
»Wäre es sehr unverschämt, dich um etwas zu trinken zu bitten? Ein großes Glas Saft käme wirklich genau richtig. Madde will bestimmt auch eins.«
Seine Frau nickte nur, ohne überhaupt hochzuschauen. Gleich nachdem sie in den Garten gekommen war, hatte sie sich in ein Buch über das Steuerrecht vertieft, und auch sie schien panische Angst vor jeder Form von Sonnenbräune zu haben. Hosen bis zu den Knöcheln und eine langärmlige Bluse verhinderten diese Möglichkeit. Außerdem hatte auch sie einen Sonnenhut auf und neonfarbene Creme auf der Nase. Als sie da so nebeneinander saßen, wirkten sie wie zwei Aliens, die auf Ericas und Patriks Rasen gelandet waren.
Erica watschelte ins Haus, nahm den Sirup und bereitete den Saft zu. Sie würde alles nur Erdenkliche tun, wenn sie nur nicht mit diesen Leuten zusammen sein mußte. Die Gäste waren die mit Abstand langweiligsten Menschen, die ihr je begegnet waren. Wenn sie gestern abend hätte wählen können, ob sie sich mit ihnen beschäftigen oder lieber zugucken wollte, wie frische Farbe trocknete, so hätte es keinen Zweifel gegeben, wie ihre Wahl ausgefallen wäre. Bei Gelegenheit wollte sie Patriks Mutter ein paar deutliche Worte sagen, weil sie ihre Telefonnummer so großzügig weitergegeben hatte.
Patrik konnte der Sache wenigstens ein Weilchen entkommen, indem er zur Arbeit ging. Aber sie sah ihm an, daß er angeschlagen war. Sie hatte ihn nie so betroffen gesehen, so gehetzt, schnell ein Ergebnis zu erzielen. Früher hatte auch nie so viel auf dem Spiel gestanden.
Sie wünschte, daß sie ihn mehr unterstützen könnte. Bei den Ermittlungen zum Tod ihrer Freundin Alex hatte sie der Polizei in mehreren Fällen behilflich sein können, aber damals hatte sie eine persönliche Verbindung zu der Sache gehabt. Jetzt war sie außerdem durch ihre gewaltige Leibesfülle behindert. Ihr Bauch und die Hitze waren eine Verschwörung eingegangen, um sie zum erstenmal in ihrem Leben zu völliger Untätigkeit zu verdammen. Außerdem war ihr so, als funktionierte ihr Gehirn nur noch eindimensional. Alle ihre Gedanken waren auf das Kind in ihrem Bauch und die Herkulesleistung ausgerichtet, die in nicht allzu ferner Zukunft von ihr erwartet wurde. Störrisch weigerte sich ihr Hirn, sich längere Zeit auf etwas anderes zu konzentrieren, und sie staunte über die Mütter, die bis zum letzten Tag vor der Entbindung arbeiteten. Vielleicht war ja sie es, die anders war, aber je weiter die Schwangerschaft fortschritt, um so mehr hatte sie sich zu einem brütenden, pulsierenden, nährenden Fortpflanzungsorganismus reduziert gefühlt. Jede Faser ihres Körpers war darauf eingestellt, das Kind zu gebären, und deshalb erschienen ihr Eindringlinge noch lästiger als gewöhnlich. Sie störten ganz einfach ihre Konzentration. Jetzt konnte sie überhaupt nicht begreifen, warum sie dieses Allein-zu-Hause-Sein so rastlos gemacht hatte. Nun kam es ihr wie das reinste Paradies vor.
Seufzend füllte sie einen großen
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