Der Prediger von Fjällbacka
sie ermahnt, als sie ihm von ihren Gefühlen erzählt hatte. Kennedy sei ein unglückliches Kind, das endlich anfange, Frieden zu finden. Was er jetzt brauche, sei Liebe und Fürsorge, nicht Mißtrauen. Aber sie konnte die Unruhe nicht ganz vertreiben. Eine abwehrende Geste von Jacob ließ Kennedy widerstrebend stehenbleiben und dann langsam zurück zum Haus gehen. Er war wie ein Wachhund, der sein Herrchen verteidigen wollte, dachte Marita.
Jacob drehte sich zu ihr um und nahm ihr Gesicht in seine Hände. »Fahr mit den Kindern nach Hause. Es besteht keine Gefahr. Die Polizisten wollen nur noch etwas Öl auf das Feuer gießen, das sie selbst verschlingen wird.«
Er lächelte, um seinen Worten die Schärfe zu nehmen, aber instinktiv zog sie die Kinder noch fester an sich. Die schauten unruhig von ihr zu Jacob. Auf die für Kinder typische Weise fühlten sie, daß da etwas war, was ihre Welt aus dem Gleichgewicht brachte.
Der jüngere Polizist ergriff erneut das Wort. Diesmal sah er ein bißchen betreten aus, als er sagte: »Ich würde empfehlen, daß du mit den Kindern nicht vor heute abend nach Hause fährst. Wir …«, er zögerte, »wir werden dort am Nachmittag eine Haussuchung vornehmen.«
»Was erlaubt ihr euch eigentlich?« Jacob war so empört, daß ihm die Worte fast im Hals steckenblieben.
Marita spürte, wie sich die Kinder unruhig hin und her wanden. Sie waren es nicht gewohnt, daß ihr Vater die Stimme erhob.
»Das werden wir dir erklären, aber erst auf dem Revier. Können wir jetzt fahren?«
Um die Kinder nicht noch mehr aufzuregen, nickte Jacob resigniert. Er tätschelte ihnen den Kopf, küßte Marita auf die Wange und ging zwischen den beiden Männern zum Wagen.
Als die Polizei mit Jacob abfuhr, stand sie wie festgefroren da und schaute ihnen hinterher. Vom Haus her betrachtete Kennedy die Szene. Seine Augen waren schwarz wie die Nacht.
Auch das Gutshaus war in Aufruhr.
»Ich rufe meinen Anwalt an! Das hier ist doch völlig irrsinnig! Uns Blutproben abzunehmen und uns zu behandeln, als seien wir simple Kriminelle!«
Gabriel war so wütend, daß ihm die Hand auf der Klinke zitterte. Martin stand zuoberst auf der Treppe und begegnete ganz ruhig seinem Blick. Hinter ihm befand sich Fjällbackas Bezirksarzt, Doktor Jacobsson, der heftig schwitzte. Sein gewaltiger Leibesumfang machte ihm bei diesen Temperaturen sehr zu schaffen, doch der Hauptgrund dafür, daß ihm der Schweiß von der Stirn tropfte, war, daß er die Situation als äußerst unangenehm empfand.
»Tun Sie das gern, aber teilen Sie dem Anwalt mit, was für Papiere wir haben, dann kann er Ihnen sicher erklären, daß es unser volles Recht ist. Und wenn er nicht in einer Viertelstunde hier sein kann, haben wir im Hinblick auf die äußerste Dringlichkeit dieser Angelegenheit das Recht, den Beschluß ohne seine Anwesenheit in die Tat umzusetzen.«
Martin drückte sich bewußt so bürokratisch aus, wie er nur vermochte. Er vermutete, daß diese Sprache am besten bei Gabriel Hult ankam. Und es funktionierte, widerwillig ließ er sie ins Haus. Er nahm die Dokumente entgegen, die Martin ihm gezeigt hatte, und ging direkt zum Telefon. Martin winkte die beiden Polizisten herein, die man ihnen zur Verstärkung aus Uddevalla geschickt hatte, und bereitete sich auf ein längeres Warten vor. Gabriel sprach erregt und heftig gestikulierend in den Hörer, und nach wenigen Minuten kehrte er zu ihnen zurück in die Diele.
»Er ist in zehn Minuten hier«, erklärte er mürrisch.
»Gut. Wo sind Ihre Frau und Ihre Tochter? Wir müssen auch von ihnen Proben nehmen.«
»Im Stall.«
»Kannst du sie holen?« sagte Martin zu einem der Polizisten aus Uddevalla.
»Klar. Wo ist der Stall?«
»Am linken Flügel führt ein kleiner Weg vorbei. Wenn Sie dem folgen, dann kommen Sie ein paar hundert Meter weiter zum Stall.« Mit einer Haltung, die deutlich zeigte, wie sehr Gabriel die Situation verabscheute, versuchte er dennoch gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Kühl fuhr er fort: »Ich denke, die übrigen sollten zum Warten mit nach drinnen kommen.«
Schweigend saßen sie mit einem unguten Gefühl auf der äußersten Sofakante, als Linda und Laine hereinkamen.
»Was soll das hier, Gabriel? Der Polizist sagt, Doktor Jacobsson ist hier, um uns Blutproben abzunehmen! Das muß doch wohl ein Scherz sein!«
Linda, der es schwerfiel, die Augen von dem jungen Uniformierten zu lösen, der sie aus dem Stall abgeholt hatte, war anderer Ansicht.
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